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„Du Schwippschwapp woll´n wir jagen gehen? Ich hab Hunger. Klar, Fini, Du weisst dass ich immer Appetit habe, besonders auf Hering. Wobei die Dinger auch nicht mehr so lecker und fett sind wie früher. Die mickrigen Schmalhanse sind was für den hohlen Zahn.“ Fini wieder: „ Dann las mal die Echos auswerten, ob eine brauchbare Futterquelle in der Nähe ist. Ja da hab ich einen Schwarm geortet, Nähe nördlichem Beltausgang wo es breiter wird. Also wir schleichen uns an und dann auf mein Kommando Schwanzflossensignal Dreimal wipp, kreisen wir sie ein. Ok, Schwippschwap,“, gurgelt Fini.

„Da kann man noch nicht mal in Ruhe sein Frühstück verschlingen. Aua, aua, das tut weh, ihr blöden Möwen. Weg da, sonst schnapp ich Euch ein Bein ab. Du hast recht – wie Aasgeier diese gierigen Viecher“ raunzt Fini, ausser Atem. „Soll´n die doch lieber an Land den Mensch-Touris die Heringe aus den Brötchen klauen oder in deren Mülltonnen wühlen. Selbst nichts aufspüren, aber dann Trittbrettfahren und den Schmaus mit picken. Verschwindet ihr Biester.“

„Hoffentlich haben wir wenigstens für den Rest des Tages mal unsere Ruhe und da kommen nicht wieder diese nervigen Schiffe beladen mit Menschen, die uns anglotzen und alle so kleine rechteckige Scheiben hochhalten in unsere Richtung und dann Aaahhh und Ohhhh wie süüüüüss rufen.  Einige von denen, die Landratten, denken doch glatt wir wären Delfine und dann warten sie, dass wir aus dem Wasser springen. Aber den Gefallen tun wir denen nicht. Überhaupt finde ich diese Rasse auf den zwei Beinen schlimm. Da gibt es welche, die Netze ins Wasser hängen in denen wir uns verfangen, weil wir die dünnen Fäden nicht orten können. Mit diesen Netzen nehmen sie uns die wenigen Fische auch noch weg. Wissen die denn nicht, dass wir nur 6-8 Minuten tauchen können und dann wieder an die Öberfläche müssen? Wenn wir uns nicht schnell genug befreien können, dann ertrinken wir.

Warst Du eigentlich schon einmal da ganz unten im Dunklen „fragt Fini. „Du meinst am Grund vom Kleinen Belt? Nö, werde ich auch nicht machen. Oma hat mir beigebracht, dass wir nur 90 Meter tief tauchen können und da geht es auf 200 Meter runter, ist eh kalt und dunkel da unten und nichts zu fressen für uns“  antwortet Schwippschwapp. „Ausserdem machen diese gemeinen Menschen unser Wasser  immer dreckiger. Die leiten angeblich nichts mehr aus ihren Kläranlagen ein, aber über die Flüsse werden doch so viele Düngemittel und Giftstoffe eingebracht, dass wir hier immer weniger Sauerstoff im Meer haben. Dann bringen sie uns noch Art fremdes  Viechzeug durch ihre Tanker mit dem Ballastwasser hier rein und die Folge ist, dass sich unsere Nahrung, der Fischbestand, weiter dezimiert, weil die Fische wieder selbst weniger Nahrung finden.

Ja das ist alles ätzend für uns“ meint Fini, „aber früher war es auch nicht besser. Grossvater hat erzählt, dass unsere Vorfahren sogar von diesen Menschen gefressen wurden. Die haben hier Jagd auf unsere Ahnen gemacht. Ganz schrecklich hinterhältig haben sie die in den Gamborgfjord vor sich hergetrieben und dann mit Lanzen niedergemetzelt. Stell Dir vor, nur um den Tran aus unserem Fett zu kriegen und dann  Lampen damit anzuzünden. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind. Du hast recht“ entgegnet Schwippschapp, „aber jetzt sind noch mehr von denen da und machen uns mit ihrem Schiffsverkehr fast taub. Denen möchte ich mal ständig einen Vorschlaghammer vor ihren Häusern, wo die drin wohnen, rattern lassen. Dann haben die mal eine Vorstellung was die uns antun mit ihren Schiffsschrauben, Motorgeräuschen, besonders diese Jetski, mit denen die wie blöd nur zum Vergnügen im Kreis rum fahren.

Einfach rücksichtslos, denn wir brauchen doch die Ruhe unter Wasser für unsere Kommunikation, damit wir uns untereinander verstehen und natürlich auch über den zurückgeworfenen Schall unsere Umgebung formen können für unsere Navigation.“

Fini setzt noch drauf: „ Das ist eine habgierige, rücksichtslose Spezies. Ich habe gehört von unseren Cousins, die sich schonmal östlicher verschwommen haben, dass die Menschen da sogenannte Windparks bauen. Die Bauarbeiten sind so laut, da fetzt es Dir die Gehörschnecken weg und unsere Tauchblase platzt. Die haben eigentlich, das nennen die Politiker, so gewählte Anführer, davon sind welche für Umweltschutz, also unseren Lebensraum zu erhalten, finde ich ja gut. Die nennen sich Grüne. Demnach sollen die Rammarbeiten für die Pylone nicht mehr als 160 Dezibel verursachen. Aber die Realität sieht anders aus, abgesehen davon, dass das schon eine Wahnsinns Lautstärke ist. Nur für einen Mast sind 1000 Rammstösse nötig. Wir Wale zieht eben immer den Kürzeren. Wusstest Du, dass sich die Lebenserwartung unserer Art in den letzten 50 Jahren von 20 Jahren auf 8-10 Jahre halbiert hat? Mit einigen können wir uns von denen noch am besten arrangieren und das sind die Segler, na ja nur, wenn die ihren Motor aus lassen. Da macht es schonmal Spass bei denen am Rumpf im Kielwasser zu spielen.

Ach da kommen doch  wieder eine Fuhre Glotzer an“ ruft Schwippschwapp Fini zu, „lass mal schnell abtauchen.“

„Schau mal dort drüben“, rufe ich zum Skipper auf dem Seitendeck stehend mit dem Fernglas in der Hand. „Da spielt sich etwas Merkwürdiges ab. Ich glaube Schweinswale jagen Fische und Möwen widerum versuchen denen die Beute abzugreifen. Die Möwen attackieren die Schweinswale richtig.“ 

Wir laufen endlich wieder unter Segeln am nördlichen Ausgang des Kleinen Belts weiter Richtung Norden. Die letzten Seemeilen waren ein hartes Stück Arbeit. Aus Middelfart Marina liefen wir zum Regattastart aus, doch die Melges Teilnehmer fuhren nach Süden Richtung Breitling und wir folgten dem geschlungenen Lauf des Belts nach Norden, so dass wir keinen Blick mehr auf das Regattafeld werfen konnten.

Nach ein paar Meilen hoch am Wind hörte der Segelspass auf, als die gegenlaufende Strömung stärker wurde. Hatten wir uns vorher noch über Entgegenkommende amüsiert, die wie in einem zu schnell laufenden alten Film an uns vorbei rauschten wie aufgezogenes Spielzeug, stehen wir plötzlich  im Strom auf der Stelle. Der Skipper wirft die Maschine an und versucht sich eng an der Kante zur Flachwasserzone zu halten, um einen schwächeren Strom oder Neerstrom zu erreichen. Der Starkwind der letzten Tage hat die Wassermassen in Bewegung gebracht und in dem engen und tiefen Belt schwillt die Strömung bald auf 4 Knoten an.

Wir versuchen der Strategie unserer Segelkollegen zu folgen, die sich auch alle an den Rändern halten. Doch hier lauert die Gefahr des Auf Grund Laufens. Angespannt mit grosser Wachsamkeit fahren wir „harte Kante“. Mit rasanter Geschwindigkeit kommen die steinernen Brückenpfeiler bedrohlich auf uns zu.

Querstrom versetzt Astartes Rumpf. Ohne eine Miene zu verziehen, steht der Skipper am Ruder und steuert konzentriert gegen. Im schrägen Winkel schlittern wir durch. Hier darf nichts schief gehen, denke ich bei mir, sonst küsst der Bug unsanft die rauh behauenen Steinsäulen, die dunkel und drohend endlich im Achterwasser kleiner werden. Zwei Brückenpaare sind zu passieren, erst die Eisenbahnbrücke und dann die Autobahnbrücke. Knapp motoren wir an einem zerfallenen Pier entlang auf dem zwei Angler stehen. Dann endlich wird der Belt breiter und die Strömung nimmt wieder aufs erträglich Mass  ab.

Fredericia lassen wir liegen und auch das immer gut besuchte Juelsminde. Nur vereinzelt sichten wir noch andere Segel am Horizont. Plötzlich jagen 4 Kampfjets am Himmel nach Süden. Das Dröhnen schwillt an und wieder ab, nachdem sie uns passiert haben. Es ist schon ein beklemmendes Gefühl, wenn man an die Menschem im Kriegsgebiet denkt, die täglich viel Schlimmerem ausgesetzt sind und über deren Leben permanent die Todesgefahr schwebt. Wir kommen  nur noch langsam voran, der Wind hat sich schlafen gelegt und unser Ziel Aarhus ist noch überschlagene 30 Seemeilen entfernt. Eigentlich wäre es nochmal schön zu ankern, doch etliche Seemeilen in den Horsens Fjord zu motoren wie es der ursprüngliche Plan war, schenken wir uns, denn es ist bereits Abend geworden und so finden wir im kleinen Hafen Snaptun am Fjordausgang Unterschlupf. Der Hafen ist schon gut belegt. Die Einfahrt zum Seglerbecken ist noch mehr zusammengeschrumpft, da sich grossen Yachten beiseitig in die Durchfahrt gelegt haben, so dass kaum eine Schiffsbreite Platz bleibt. Dabei sind wir noch gar nicht in der Hauptsaison. Neugierig beobachten die schon festliegenden Segler aus ihren Cockpits, ob es gleich Bruch gibt. Doch souverän steuert die Skipper Astarte durch die schmale Gasse und schwingt in einen schwierig in einer Rundung gelegenen und damit unbeliebten Platz ein, der aber aus diesem Grund wohl noch frei geblieben ist. Da gibt es hinter vorgehaltener Hand bei einem weiteren Nachzügler schon mehr zu lachen. Eine sehr ranke, lange Yacht mit ausladenden Überhängen zielt auf einen Platz auch in der Biegung zwei Boxen weiter neben uns. Das Boot stoppt jäh auf, so dass ein Sohn, der vorne mit einem grossen Sprung auf den Steg gehechtet ist und sich grade umdrehen will, um den zurechtgelegten Festmacher am Bugkorb zu greifen, ins Leere greift, dass Boot ist zu weit weg. Er lässt sich trotzdem auf den Bugkorb fallen und hängt nun nur noch mit den Füssen am Steg. Sein Körper alleine bildet die einzige Verbindung zum Steg, die Arme werden lang und länger. Der Vater derweil hat die Pinne verlassen und kämpft mit seinem Danebrog. Das ist die dänische rot weisse Nationalflagge, deren spitz zulaufende Enden sich bei diesem übergrossen Exemplar in der Achterspring verfangen haben. Er versucht auf der schrägen Heckfläche balancierend das Fiasko zu einem guten Ende zu bringen, indem er beherzt den Flaggenstock mitsamt Flagge rausreisst. Ein bischen zuviel Nationalstolz hat die „Red Dragon“ hier nicht wie einen furchteinflössenden Drachen aussehen lassen, sondern eher wie einen tolpatschigen Enterich.

Am Hafen von Snaptun

 Zum Hafenbüro braucht man sich hier nicht zu bemühen und kann per Mobilpay bezahlen. Ein Kiosk betrieben von Asiaten ist gleichzeitig Imbiss und  Anlaufstelle für Segler und Wohnmobilisten. Ansonsten gibt es den Fähranleger zur Insel Endelave mit grossem Parkplatz für die Tagesgäste, das Dorf Snaptun mit Sommerschule und das wars.

Fassadenkunst in Snaptun

Für die gemeldete Starkwind- und Regenphase  von vermutlich einigen Tagen Dauer, ist Snaptun für uns keine Option. Der schöne Küstenweg taugt dem Skipper am nächsten Morgen noch zum Joggen, doch dann ziehen wir Leine, wörtlich genommen und tuckern aus dem Schlupfloch für eine Nacht.

Dann lieber Leckeres aus der Bordküche, denn in Snaptun gab es nicht viel wie das magere Angebot zweier kleiner, schrumpliger Gurken im Korb des privaten Verkaufsstands zeigt.