Marstal

Reading Time: 5 minutes

Triton, Triton, Triton – this is American Warship zero two… heading course… for Kiel Bight… four minesweepers to port… und so läuft die Funk Konversation im besten American Accent oder radebrechendem Englisch vom Counterpart irgendeiner anderen Nationalität.

Anfahrt zur dänischen Südsee

Wir sehen den Verband nur noch schemenhaft am Horizont, denn Fehmarns Nordwestspitze querab sind wir bereits ein gutes Stück Richtung Dänemark vorangekommen. Es herrscht bestes Sommerwetter mit mittlerem Wind, der sich hält bis wir die Südspitze Langelands erreichen. Dann muss die Maschine helfen, aber nach Rundung des Kaps können wir bis kurz vor Marstal noch einen Holeschlag segelnd erledigen. Bester Stimmung wieder auf dem Wasser unterwegs zu sein, geniessen wir die strahlenden Farben, die uns begrüssen. Leuchtend weisser Sand im Kontrast zu türkisfarbenem Wasser. Ein hölzerner Traditionssegler kommt im Fahrwasser achtern auf und der mächtige Bug schiebt sich drohend näher an Astartes Heck. Doch der Koloss drosselt und geordnet laufen wir im Gänsemarsch nach Marstal ein.

Etliche Yachties haben sich schon eingerichtet. Der Hafen ist halb belegt. Marstal ist beliebt bei deutschen Gästen und somit flattern viele schwarz-rot-goldene Flaggen an den Hecks. Die erste Tat ist das Boot mit Sonnensegeln abzudecken, denn auch am frühen Abend brennt die Sonne.

Wir liegen neben der Hitchhiker, einer Rassy 94, der Form nach einem Fischkutter nachgeahmt mit festem Steuerhaus. Das Eignerpaar, bestimmt in den 80ern ist am nächsten Morgen über die Hilfe beim Ablegen heil froh. Für die beiden ist es eine grosse Aufregung und später werden wir sie nochmals beim tagelangen Ankern wieder entdecken. Dabei geht es beschaulicher zu. Ich mache mir so meine Gedanken, ob wir in diesem Alter wohl noch segeln werden. Doch das Sinnieren wird jäh unterbrochen, als eine holländische Yacht Typ Breehorn die Nachbarbox an unserer Steuerbordseite mit übertriebenem Speed ansteuert. Den stählernen Bug gradewegs auf Astartes bauchige Breitseite gerichtet. Mano o Mann, wenn das mal schiefgeht, steht der bei uns mitten im Salon. Im letzten Moment schwenkt der Bug herum und knirschen quälen sich bereits ausgebrachte Fender an den Heckpollern vorbei. Das war knapp und reine Glücksache, dass eine Katastrophe an uns vorbeigeschrammt ist, die bereits das Ende der Saison bedeutet hätte. Vom Ehepaar des Nachbarliegers auf seiner anderen Seite nach dem Woher befragt, antwortet der Niederländer: „wir kommen aus La Buc“. Die neugierigen Segler bekommen dann heraus was er meint: Laboe.

Hafenkino ist amüsant, wenn man nicht selbst betroffen ist. Am Steg kehrt wieder Ruhe ein. Ich suche das Hafenbüro, bzw den Automaten zum Bezahlen der Hafengebühr. Dabei lande ich zuerst am falschen Gebäude. Das moderne Holzgebäude entpuppt sich als Sanitäranlage. Plötzlich erscheint aus einem Spalt zwischen Gras und hölzernen Laufbrettern vor dem Haus eine Ratte mittlerer Grösse. Das Nagetier schaut mich mit seinen schwarzen Knopfaugen direkt an, verharrt kurz und verschwindet dann. Diese Begegnung sollte ein Vorbote sein auf einen unangenehmen Zwischenfall, der mich später noch ereilen wird.

Schnell suche ich das Weite und habe endlich in der anderen Richtung den Zahlautomaten entdeckt.

Es ist lange hell und der laue Abend stimmungsvoll, denn die Sonne taucht bei ihrem Sinken die Landschaft in ein goldiges Licht. Wir laufen zu den berühmten Strandhütten, die auf der Insel Aero in Marstal und Aeroskoebing zu finden sind.

Ihre Besitzer hegen die unter Denkmalschutz stehenden hölzernen Schmuckkästchen mit Stolz und das Eigentum bleibt über Generationen in der Familie. Besonderes Icon und tausendfach fotografiert ist eine reetgedeckte rote Hütte. Wir streunen ein bisschen herum und schiessen Fotos.

Die Abendfeuchte senkt sich herab. Jetzt hören auch die party machenden ausgelassenen Teenager am Strand auf ins  Wasser zu springen und sich zu necken. Die laute Musik verstummt. Um Punkt zehn Uhr trollt sich das Jungvolk Richtung Ort und wir laufen ebenfalls zum Boot zurück.

Traditionsschiff in Marstal in der Helling
Besuch von der dänischen Marine am Kai

Der nächste Tag ist schon verplant. Unbedingt wollen wir noch einmal eine Fahrradtour nach Aerosköbing machen. Der Tag wird heiss und schwül. Der Wind bringt kaum Abkühlung. Froh über die Elektrounterstützung fliegen wir nur so vorbei an Ommel mit seinen malerischen Häuschen mit üppigen bunten Vorgärten und entlang der Ufer seichter Nebenarme der dänischen Südsee wie die flachen Lagunen zwischen der südlichsten Insel Aero des Archipels und Fynen auch genannt wird. Die viele Inselchen sind die höchsten Erhebungen, die nach dem Abschmelzen des Eises der letzten Eiszeit dann noch aus dem Wasser ragten.

Für Eiderenten, Gänse, Schwäne, Kormorane und Reiher sind die seichten Gewässer ein Rückzugsort. Noch sind die ausgedehnten Kornfelder grün. Mohn, Kamille und Kornblumen bilden einen farbigen Kontrast und versprühen die Essenz des Sommers. Hier und da weiden Pferde. Vereinzelte Gehöfte liegen versprengt in der leicht ansteigenden Landschaft zur Inselmitte.

Bunte Badehäuschen am Strand von Aerosköbing

Wir erreichen Aerosköbing und nach vielen Besuchen haben wir den Inselort liebgewonnen. Auch wenn immer mehr der alten Stadthäuschen heruntergewirtschaftet wirken oder zum Verkauf stehen. Ein befreundetet Däne erklärt uns die Lage.

Die Insel Aero mit ihrer Randlage ist sogenanntes Ingenmannsland. Wir sagen im Deutschen auch Niemandsland. Die Regierung in Kopenhagen konzentriert sich auf die prosperierenden vier grossen Städte, Kopenhagen, Aarhus, Aalborg und Odense. Gebiete in Randlage sind immer mehr gesellschaftlich abgehangen. Das Investment findet woanders statt. Die Abwanderung der Jugend nicht aufzuhalten.

Aero ist im Sommer belebt und hält sich nur durch den Tourismus über Wasser, im Winter ist es hier tot. Dabei gibt es Bestrebungen das Ruder mit Ansiedlungsanreizen herum zu reissen. Die Zukunft wird zeigen, ob dies gelingt. Aber vielleicht ist auch dieses Abbild eines Niederganges genau das was uns fasziniert, denn es versinnbildlicht, dass alles endlich ist so wie wir selbst. Denn auch an uns hat der Zahn der Zeit seine Spuren hinterlassen und so finden wir, passen wir ganz gut hierher. In unserer schnelllebigen Zeit ist die Sehnsucht da nach dem Stillstand der Zeit, den wir hier erleben können.

Am Hafen von Aerosköbing

Denn mit den Besuchen können wir über die Jahren keine grossen Veränderungen feststellen. Hungrig geworden pausieren wir am Yachthafen von Aeroskobing und stärken uns mit einem Salat, geräucherter Makrele und als Nachtisch gibt es Eis. Nachdem wir den Dreierpack Magnum Karamel,Popkorn (einzig verfügbare Geschmacksrichtung) zusammen verdrückt haben, sind die Mägen doch etwas überfordert. Die Sonne hat nochmal eine Schippe drauf gelegt.

Die Kleidung klebt am Körper und einige Trinkpausen sind nötig. Doch in Kraegnaes machen wir noch einen Abstecher zu einem Hügelgrab. Die Dänen nennen es Jaettestuen. Überall lassen sich diese in einer speziellen Technik errichteten Grabkammern finden. Mehrere Steine im rund aufgestellt werden mit einer grossen Steinplatte abgedeckt. Damit diese Konstruktion hält werden die Steine mit kleinen Platten und Keilförmigen Steinen verkeilt. Ein Grabgang führt zur Grabkammer.

Am Hügelgrab in Kraegnaes
und drinnen

Man kann hineinkriechen und ist erstaunt über den Platz, der vielleicht 8 hockenden Memschen Raum bietet. Das Hügelgrad von Kraegnaes wurde 1974/75 freigelegt und restauriert. Dabei wurden Grabbeigaben gefunden, die sich auf die Zeit 3200 bis 2800 vor Christus datieren liessen. Mein Fahrradhelm schützt mich im niedrigen Gang, als er gegen die steinerne Decke scheppert. Ich habe genug gesehen und wir kehren um, denn wir wollen auch kein Opfer der Mücken werden, die sich gegen Abend hier mit Sicherheit zum Angriff formieren werden. In Marstal ist der Hafenbetrieb mittlerweile im gewohnten Rhythmus weitergegangen. Ein Marineschiff hat einen Zwischenstopp eingelegt, Neue Segelboote  laufen ein und vertäuen sich. Eine Gruppe Touristen ergiesst sich über das Gelände des Schiffahrtsmuseums.  Für und geht es morgen weiter und so haben wir noch einiges zu tun bis die Räder wieder verstaut sind und wir nach dem Abendessen und dem Abwasch die Füsse hochlegen können.

Previous

Heiligenhafen

Next

Thuro

1 Comment

  1. Ruby Tuesday

    Brings back memories of our time in Marstal and Aeroskobing two years ago after you left us in Bogense that time. Nice photos. Glad to hear that the Dutch boat didn’t touch you!

Powered by WordPress & Theme by Anders Norén