AAA+ Anreisen Ausrüsten Ausspannen

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Es ist Pfingstmontag. Auf der Gegenfahrbahn stockt es schon seid einigen Kilometern, aber wir haben Glück. Der dichte Verkehr rollt. Im Wechsel am Steuer geht es Richtung Norden.

Endlich sind wir los gekommen. Die letzen Wochen waren gespickt mit Stress, Terminen, aber auch schönen Zusammenkünften mit Familie und Freunden nach langer Corona bedingten Pause. 

Bald kommen die Hafenkräne, Überladebrücken und Aufbauten einiger Containerschiffe in Sicht. Jedes Mal ist es ein Moment wo mein Herz einen Sprung macht. Die Elbe, der Hamburger Hafen, Heimat der dicken Pötte – das löst Fernweh aus und im Ohr klingen automatisch die wehmütigen Shanties der Matrosen und Fahrensleute. Der heutige durchgetaktete Seehandel hat nichts mehr mit der Windjammer Romantik zu tun, die teils vergilbt in den Ständern der touristischen Souvenirmeile auf den Landungsbrücken hängen.

All das ist schnell vergessen mit dem Einfahren in den Elbtunnel und der Konzentration auf Spur und Verkehrssituation. „ Haben wir die Opferanode für den Propeller dabei“? Der Skipper hat anscheinend eher praktische Gedanken. Ich antworte: „ Ja, sogar drei Stück eingepackt.“  Ok gut, hoffentlich haben wir auch die Befestigungsschrauben.“  Später rollt der Bulli auf das Werftgelände und gespannt öffnen wir die Tür zur Lagerhalle in der Astarte den Winter verbracht hat. Sie gehört zu den wenigen Nachzüglern, denn die Halle ist fast leer.  

Im Kran

Astarte wird Senioren gerecht:

Weniger Arbeit beim Polieren des Rumpfes war angedacht und daher wurden über den Winter die roten Streifen foliert. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Schöner Glanz. Kritisch überprüfen Skipper und Bordfrau die Arbeit und stellen fest, dass im Herbst hier und da nach gearbeitet werden muss. Es läuft eben nicht immer alles glatt oder wir sind zu kritisch. 

Nun gilt es noch schnell um- und auszuräumen, damit der Bulli-Kojen für die Nacht frei werden.

Die Bordfahrräder hat Axel über den Winter umgebaut und mit Elektroantrieb versehen. Sehr leichte Akkus bringen eine Reichweite von ca 50 km bevor sie erneut geladen werden müssen. Die Räder werden an Bord gehievt und verstaut. Bei Testfahrten haben sich Positionierung und Leistung der Akkus als ideal herausgestellt. Bei Radtouren strampelt man mit E-Bikes nicht weniger, man kommt durch die Unterstützung einfach nur weiter und die Hügel werden “geglättet”.

Als nächstes landet eine grosse Tasche mit Tauwerk an Bord. Die ersten Festmacher kommen nach 26 Jahren Nutzung durch uns von Bord. Sie sind zwar optisch nicht verschlissen, aber das Material wird müde, durch Salz und Sonne verhärten sich die Leinen und auch das Gewicht störte immer mehr beim Handling. Schliesslich in die Bordfrau auch älter geworden. Der neue Ersatz kommt aus dem französischen Hause Lancelin und hat als Besonderheit, dass das Tauwerk ohne Kern gefertigt ist. Im Handling stellt sich später heraus, dass die Leinen sehr gut in der Hand liegen und wirklich ausgesprochen leicht sind, bei einer sehr hohen Bruchlast. Einen Nachteil gibt es aber auch: das Material ist sehr empfindlich und bei rauhen Oberflächen werden Fäden gezogen.  Hoffentlich sind wir da nicht auf das Marketinggequatsche des Verkäufers auf der Bootsmesse hereingefallen. Mal sehen wie die Festmacher nach der Saison aussehen.

Damit wir besser sehen können, vor allem im Dunkeln – jetzt könnte man meinen es stehen Nachtfahrten an – nein auch für die Tiefen der Schabs und Bilgen notwendig, sind handige Kopflampen ideal. Ich habe mich für zwei Modelle entschieden, die vor allem leicht sind und eine gute Leuchtkraft aufweisen. Die alten Lampen hatten einen viel zu schweren Batteriepack der am Hinterkopf drückte. Mit der 1000L von Lepro für Axel und der Sigma Sport high performance für mich, kommen diese kleinen gadets mit an Bord.

Last but noch least räumen wir unseren Spinnaker von Bord und ersetzen ihn durch einen Genaker. Das Handling des Letzteren erlaubt das Weglassen des Spinnakerbaums und das Hantieren mit kleiner und nicht mehr so kräftiger Crew ist einfacher. Zumal das neue Segel mit einem Bergeschlauchkonzept daher kommt, der gegenüber dem alten Schlauch wesentlich einfacher und leichter zu bedienen ist. Im Alter segelt man nicht mehr so sportlich und bleibt bei Starkwindphasen eher einmal mehr im Hafen. Doch weiter kommen will man trotzdem und nutzt dann die Leichtwindphasen. Bei einem verhältnismässig schweren Schiff muss dann eher der Motor eingesetzt werden. Mit dem neuen Segel ermöglichen wir uns bei leichten Winden auf einem grösseren Kurswinkel immer noch zu segeln. Das ist nicht nur angenehm für die Erholung, sondern auch umweltschonend.

Wir sind gespannt wie sich die Neuerungen in der Saison bewähren werden.

Es bleibt noch Zeit Freunde in Hamburg und nördlich von Hamburg zu besuchen. Bei leckeren Mahlzeiten diskutieren wir über den Einstieg ins Berufsleben oder Studium und geben rhetorische Tipps für die letzte mündliche Abiprüfung. Dann lernen wir warum man Hühner besser ohne Hahn hält und erfahren die wissenschaftliche Grundlage dafür, warum Jungs besser männliche Lehrer haben sollten, denn das männliche Gehör ist nicht auf weibliche Stimmenfrequenzen justiert. Inhalte werden weniger gut aufgenommen. Das kann ich kopfnickend bestätigen, denke mir dabei meinen Teil für unsere Bordkommunikation. 

Nach vielen Handgriffen beim Kranen, Mastsetzen, Segel anschlagen, zwischen durch noch Termine wahrnehmen, Kuchenbude von der Reparatur abholen, Pakete der letzten Nachlieferungen übernehmen und verproviantieren geht es schliesslich los. Der Bootsmotor stösst beim ersten Anlassen eine ordentliche Qualmwolke aus, aber dann schnurrt er wie ein Kätzchen und das Kühlwasser blubbert kontinuierlich. Die ersten Seemeilen dieses Jahres gleiten weg unter Astartes Rumpf .

Ein kleiner Faux pas am Rande, die neu gekaufte Nationale hat sich dann doch irgendwie aus dem Gepäck gestohlen und im Umkreis ist kein Schiffsausrüster, Souvenirladen oder Baumarkt, wo wir Ersatz beschaffen könnten. Aus Bordmitteln wird improvisiert. „ Wir drehen einfach die belgische Gastlandflagge, dann haben wir Deutschland.“ Ich klebe das belgische Tuchstück auf eine Europaflagge. Et voila und schon weht die Konstruktion am Besanmast. Am Nachmittag legen wir im Kieler Olymipahafen an. Für Astarte ein Heimspiel, denn hier haben wir sie vor 26 Jahren übernommen, nachdem der Verkäufer drei Stunden auf uns warten musste, während wir einen platten Reifen wechseln lassen mussten und wir konnten ihn nicht informieren, da es damals noch keine Handy’s gab.

Die Schwüle der Landmasse haben wir hinter uns gelassen. Endlich Seeluft, das tut gut. Der Blick über die Mole auf das endlose Graublau der Ostsee und die dahinflitzenden Jollen mit ihren bunten Segeln, hier und da der Schrei der Möwen und ansonsten eine wunderbare Stille; das ist der richtiger Mix zum Ausspannen. Am Abend kommen die Optis und Laser mit einem Windhauch zurück in den Hafen und pullen die letzten Meter zum Ufer. In wenigen Tagen startet die Kieler Woche. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Wir geniessen die Atmosphäre der internationalen Regattaszene. Das Segeljungfolk in Neopren und Trapezhose zieht Trailer, schleppt Segel oder kaut auf Energieriegeln. Nebenbei läuft der Urlaubsrüsel auf Hochtouren. Die Strände sind voll. Es wird geschwommen, SUP gestakt, Ball gespielt oder einfach Sonne genossen, die Kinder spielen im Sand oder im Wasser. Die Szene ist bunt und jeder hat gute Laune. 

Wir radeln zu den Leuchttürmen Bülk und Friedrichsort, geniessen den Blick auf die weissen Sandstände, das türkis schimmernde Wasser und die grünen Kornfelder. Warum sollen wir eigentlich weitersegeln?

Hier ist es doch so schön! 

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1 Comment

  1. Great that you are on your way again! What are your plans from there?

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