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Ab jetzt auf den Spuren der Wikinger

Zzzzzssssssst, zsssssst, tttttttttschschschtttt… mit scharfem Zischton rauscht der Snuffer wie von selbst herunter. Das geht ja wie Butter, denke ich und bin mit dem Handling des Oxley sehr zufrieden. Drohend hat sich backbord achteraus eine dunkle Wolke von Westen vorgeschoben.

Marselisborg Marina

Keine fünf Minuten später regnet es, während ich im Vorschiff das Segel in seine Kompressionstasche stopfe. Das Tuch knistert und raschelt. Ich lasse die Luft aus dem Schlauchring des Bergeschlauchs und lege ihn in Kreisen in die Tasche was mehr oder weniger gut gelingt, denn es ist eine Menge Material. Wieder an Deck meint der Skipper: „die anderen haben die Blasen auch alle reingenommen. Das war auf den letzten Drücker.“  Mittlerweile hat auch der Wind zugelegt und es ist ungemütlich geworden. Am frühen Abend erreichen wir die Marselisborg Marina auf der Südseite von Aarhus. Sie wird als exklusiv beschrieben, doch beim Einlaufen zeigt sich eher der Zahn der Zeit und das was ich mir nach dem geschickt fotografiert und schick gestalteten Internet Auftritt vorgestellt habe, ein Porta Portals des Nordens schrumpft in der Realität zusammen. Die meisten Liegeplätze sind für kleine Boote gedacht. Abgesehen davon, dass der Hafen randvoll ist und die noch freien Plätze rot also als belegt gekennzeichnet sind, ist es eine in die Jahre gekommene Anlage, die zwischen Industriehafen und Kläranlage eingeklemmt ist. Wir kommen auf die Schnelle nur an einem überbreiten riesigen Platz unter in der äussersten Ecke. Leider prasselt die kräftige Regenböe vorher los, schon durchnässt können wir uns jetzt Zeit lassen und bauen trotzdem die Kuchenbude auf. Dann haben wir mehr Trocknungsraum. Nachdem die Front durchgezogen ist, erkunden wir das Umfeld. Am automatischen Bezahlautomat für die Hafengebühr stellen wir fest, dass nach Breite der belegten Box und nicht nach Schiffslänge oder Schiffsbreite bezahlt wird. Da wir einen längeren Aufenthalt planen, würden wir einen unnötigen, saftigen Betrag los. Also einen anderen Platz finden, der auch windgeschützter liegt, ist die Devise. Bald haben wir eine passende Lücke erspäht und beeilen uns mit dem Umlegen, denn Boote laufen im Minutentakt ein. Glück gehabt, wir sind am neuen Standort.

Erfreulicherweise hat sich der Himmel beruhigt und wir können noch einmal durch den Hafen flanieren. Mittlerweile haben sich Gäste in den Restaurants eingefunden und Eisbuden finden ebenfalls grossen Zuspruch. Langsam werden wir doch warm mit dem Hafen, denn es ist alles in allem eine nette Atmosphäre, nun wo es belebt zugeht. Uns erinnert die Anlage ein wenig an Brighton Marina und am Ende unseres Aufenthaltes fühlen wir uns bereits wie zu Hause. Nun geht es erst nochmal zum im zweiten Anlauf Zahlautomat. Die Software ist so programmiert, dass man eine Liste durch scrollen muss, bis die eigene Platznummer erscheint. Aber von vielen Plätzen wie auch unserem ist die Nummer gar nicht enthalten.

Am nächsten Morgen klärt sich die Sache im Hafenmeisterbüro. Ein braungebrannter Jungspund schaltet unsere Nummer mit einem lässigen Klick frei und erklärt mir, dass dieses System neu sei und die Liegeplatzinhaber, den Platz selbst online managen sollen, heisst ihn freischalten, wenn sie dem Hafen verlassen und dann wieder bei ihrer Rückkehr ein Datum angeben, ab wann der Platz reserviert ist. In der Praxis scheint die Methode nicht angenommen zu werden. Jedenfalls sind wir froh, dass unser Platz einige Tage frei ist und wir nicht täglich umlegen müssen, denn die Wetterprognose sagt für eine Woche Regen und nochmals Regen mit Wind bis 40 Knoten voraus. Hier in Aarhus sind wir jedenfalls für diese Phase gut aufgehoben, da es einiges zu besichtigen gibt.

So geht es gleich am nächsten Tag den Küstenradweg entlang nach Süden. Erster Fotostopp ist der Ringsteg. Ein Ausflugsziel für Strandbesucher.

Unterhalb eines imposanten Herrensitzes befindet sich der ins Wassergebaute Steg mit Aussicht auf die Skyline von Aarhus. Am Strand weisst eine Digitalanzeige mit Leuchtdioden grün oder rot auf die Wasserqualität hin. Dabei erfährt man, dass Klärwasser eingeleitet wird und dann absolutes Badeverbot herrscht, ja das Baden dann sogar gesundheitsgefährdend ist.

Ich bin erstaunt, dass Kommunen wohl immer noch Einleitungen ins Meer vornehmen und vermute, dass es ähnlich wie in England ist wo der veraltete Standard der Abwasseranlagen dazu führt, dass durch Überläufe die bei starken Regenfällen in Anspruch genommen werden müssen, auch Abwässer in Flüsse und damit ins Meer gelangen. Zumindest optisch ist das Wasser sehr klar. Ein alter Mischwald mit imposanten Bäumen ragt bis ans Ufer heran, dass steil zum Strand abfällt.

Ein ausgedehntes Netz von Rad- und Wanderwegen zieht sich wie ein Geflecht durch das Aarhuser Naherholungsgebiet und führt den Besucher an rietgedeckten Gutshäusern, Mühle mit Wasserrad, Hügelgräbern, Steinsetzungen, Fischerklause, einem stufig angelegten Campingplatz und grossem eingezäuntem Dyrepark vorbei. Das Gehege für Damwild zieht die meisten Besucher an. Die Tiere sind so an Menschen gewöhnt, dass sie sich von selbst nähern und von Kindern streicheln lassen. Ich halte Abstand, denn meist ist Wild ein typischer Wirt für Zecken.

Wir picknicken unsern bunten Salatmix, den ich am Morgen geschnippelt hatte, im Schatten der Bäume. Die Stille des Waldes lädt zum Träumen und Innehalten ein. Vielleicht waren genau hier in diesem Wald vor 1000 Jahren Jäger unterwegs oder Krieger zu Pferd, stelle ich mir vor. Beeindruckende Wikingergestalten mit wilden Bärten und geflochtenem Zopf, Lederrüstung, Schwert und Schild bahnen sich ihren Weg zwischen den Bäumen. Ach da ist die Phantasie mit mir durchgegangen,  es ist eine Gruppe von Mountainbikern die rasant über den Pfad preschen, so dass die Steinchen auffliegen.

Aarhus ist älter als man bisher angenommen hat. Seine Gründung geht auf die letzten Jahrzehnte des 8. Jhdts zurück. In Dänemark sind nur Ribe und Hedeby älter. Besonders an Aarhus ist, dass über die Jahrhunderte das Siedlungszentrum über 1200 Jahre an der nahezu gleichen Stelle geblieben ist. Dies ist in ganz Skandinavien einzigartig. Unter dem Namen Aros um das Jahr 750 gegründet war der Standort in der geschützten Bucht eine perfekte Lage für das Seefahrervolk, um von hier aus Handel zu treiben, aber auch Raubzüge zu starten. Die Wikinger nannten das heutige Aarhus Aros. Archäologische Ausgrabungen belegen, dass die frühesten Spuren der Siedlung drei Meter unter dem heutigen Strassenniveau liegen.  Im Moesgard Museum wird der Geschichte auf eine beeindruckende Weise mit einer Vielzahl von Ausgrabungsfunden dargestellt und erzählt. Morgen ist der Besuch des Museums geplant.