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Im schwarzen Frack, weiss behandschuht, die schwarzen Lederschuhe auf Hochglanz poliert, der Scheitel des Undercut Haarschnitts sitzt perfekt, so kommt ein junger Mann die Stufen herunter. Über der Armbeuge ein weisses Tuch und in der Hand ein silbernes Tablett.

Seine Präsenz wirkt eigentümlich und fremd, denn Kellner und dann noch so vornehm haben wir in Pandemiezeiten lange nicht gesehen. Wie kommt’s?

Wir sind in Fürstenau und laufen grade an Schloss Schauenstein vorbei, als wir einen kurzen Blick durch das geöffnete Portal erhaschen können. Seit einigen Jahren hat Andreas Caminada das Schloss zur besten Gourmetadresse des Landes gemacht. Wer hier einkehrt und sich verwöhnen lässt, der kann sich die Künste eines der besten Köche Europas munden lassen. Nahezu verschwiegen liegt das Schloss in Fürstenau. Die wenigsten Besucher werden wissen, dass Fürstenau die kleinste Stadt der Welt ist, denn innerhalb der Stadtmauern wohnen nur 7 Einwohner. Die kleine Gemeinde im Domleschg verfügt seit dem 14. Jahrhundert über das Stadtrecht. Das haben die Fürstenauer König Karl IV. zu verdanken, der am 13.Mai 1354 dem Churer Bischof Ulrich ein Diplom überreicht hat, in dem Fürstenau das Recht auf Kerker, Stock und Galgen sowie die Abhaltung von zwei Jahrmärkten am St. Michaels- und St. Georgstag erhält. Damit war das Domleschger Dorf auch in juristischem Sinn zur Stadt avanciert. 

Wir haben unsere Wanderung am Rhein entlang hier fast beendet und kommen bald wieder am Bus an, der unser Restaurant ist, allerdings ohne Bedienung und Schnörkel, sondern es gibt eine handfeste Brotzeit, die wir selbst zubereiten. 

Wir sind hungrig, denn auch heute setzte sich die Sonne durch und hat uns auf der langen Strecke bis Rothenbrunnen in der Talsohle des Domleschg zum Schwitzen gebracht. Entlang des Hinterrheins, der im 19. Jhdt kanalisiert wurde und nur noch zwischen Rothenbrunnen und Reichenau seinen natürlichen Verlauf hat, weht zwar ein kühles Lüftchen  doch die Strecke verlässt bald den Wald und führt über Wiesen. Das Domleschg ist der Obstgarten Graubündens mit seinen 120 Apfel- und 30 Birnensorten. Längst ist das meiste abgeerntet, doch es gibt noch Fallobst, das zu schade zum Vergammeln ist und schnell den Weg in meinen Rucksack findet. 

Nicht nur mit vielen alten knorrigen Obstbäume ist diese sanfte Gegend gesegnet, sondern die verkehrspolitisch wichtige Lage am Durchgangsweg zu den Alpenpässen Splügen, San Bernardino und Julier bildete die Grundlage zum Bau von Burgen zur Verteidigung und Überwachung. So wurde das Domleschg zu einer der burgenreichsten Landstriche der Schweiz. Das bündner Adelsgeschlecht der Herren von Juvalt kontrollierte auf seiner Burg hoch über dem Hinterrhein den Transitverkehr. Für den Touristen erschliessen sich die oft nur noch als Ruinen vorhandenen Bauwerke durch den Burgenpfad. Er führt auf unterschiedliche Höhenlagen bis 700 m und bietet zahlreiche Ausblicke über die Talschaft aber auch Gelegenheiten zur Besichtigung. Bei uns war alles geschlossen. Trotzdem hat sich das Verweilen in dieser lieblichen Landschaft für uns gelohnt, denn oftmals fährt man nur auf der A 13 rasch vorbei und die vielen Details bleiben verborgen wie die kleinste Stadt der Welt.