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Wer hier reinfällt wird zerschmettert. Mit einer enormen Wucht wird das Wasser der Maggia durch die enge Felsschlucht bei Ponte Brolla gepresst. Den Fluss können wir nicht sehen, nur hören. Denn die Felswände fallen lotrecht in die Tiefe. Wir wagen uns so nah wie möglich an die Kante heran, aber mit respektvollem Sicherheitsabstand.

Schliesslich fliessen bei mittlerem Wasserstand zwei Kubikmeter Wasser pro Sekunde und bei Hochwasser sind es 5000 Kubikmeter. Hinter der Schlucht sammelt sich das Wasser in einem ruhigeren see-ähnlichen Bereich, dessen Wassertiefe 15 m beträgt. Ponte Brolla ist Austragungsort für Klippenspringer Wettbewerbe. Europa- und Weltmeisterschaften mit Sprunghöhen bis 20 Metern wurden hier abgehalten. Uns fasziniert das smaragdgrüne Wasser, dass im starken Kontrast zu den weissen Felsen eher wie ein zäher Mentsirup wirkt.

Jetzt können wir die Eindrücke für uns geniessen. Im Sommer geht es hier lebhaft zu und die Felsen sowie sandigen Ufer sind mit Ausflüglern belegt, die sich von der Sommerhitze erfrischen wollen. Auch heute ist es für diese späte Jahreszeit wieder sehr warm und wir wandern weiter, um im kühlenden Kastanienwald Schatten zu finden. Der Rundweg von Avegno führt durch enge Gassen im Ort mit malerischen Einblicken auf Terrassen und in Höfe, aber auch vorbei an bemoosten Trockenmauern zu steilen Abschnitten, die über in Fels gehauene, meist glatt Stufen oder aber enge Pfade verlaufen. Die grossvolumigen braunen Kastanienblätter rascheln unter den Füssen.

Die 273 Höhenmeter führen durch eine abwechslungsreiche Landschaft. Vorbei an gepflegten Gärten mit Palmen und Weinreben, dornigem Brombeer- und Hagebuttengebüsch in der Uferzone der Maggia.

Nach einer sehr steilen Passage über Felsvorsprünge, die über dem Flusslauf zu schweben scheinen, erreichen wir wieder das Niveau der Maggia. Eine Gruppe Arbeiter entfernt wild wucherndes Gestrüpp. Wir hören schon die Motorsägen. Als wir näher kommen, treten sie zur Seite und räumen einige Äste weg, damit wir passieren können. Wenig später gibt es eine zweite Baustelle. Der Weg über einen Wasserlauf wird restauriert. Die stämmigen dunkelhaarigen Arbeiter mit nacktem Oberköper deuten in eine Richtung, denn irgendwo müssen wir den Bach überqueren.

Sie haben provisorisch einige Stämme hingeworfen. Schnell haben wir die wackelige Angelegenheit passiert, um die Gruppe zügig zu passieren. Am Flussbett machen wir Rast. Ich mache mir Gedanken darüber wieviele Schattierungen von weiss es doch gibt und greife ab und zu einen Stein auf. Sie sind alle so glatt geschliffen und angenehm in der Hand.

Das letzte Teilstück zurück nach Avegno verläuft am Flussbett entlang. Wieder zurück am Bus entscheiden wir heute noch das Maggiatal hinter uns zu lassen, um auf einem der Campingplätze direkt am Lago Maggiore zu übernachten. Jedoch müssen wir feststellen, das daraus nichts wird, da die Plätze bereits Saisonschluss haben. Die nächste warme Dusche liegt also nördlich des San Bernardino Passes und muss bis morgen warten. Übernachtet wird in Sementina auf einem Parkplatz unterhalb einer Burganlage. Die Fläche ist recht schräg, sowohl seitlich als auch zwischen den Vorder- und Hinterrädern. Uns stört dies nicht weiter. Als wir schon im Bett sind, kommt noch ein zweiter Van an. Der Fahrer scheint alleine und rangiert eine gute halbe Stunde, um sein Fahrzeug auf Keile zu bugsieren. Immer wieder steigt er aus, schlägt die Türen, Motor an, Motor aus. Dann ist endlich Ruhe.