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„Sag Du, nein sag Du zuerst, nein Du. Na gut. Je länger wir in den Bergen bleiben, je weniger treffen wir auf Menschen. Ja, möglichst keine Menschen. Aber für die Nacht sollten wir in tiefere Lagen gehen, wegen Frost. Ok. Dann schlage ich vor wir machen den Abzweiger ins Val di Campo bis rauf nach Cimalmotto.“

Im Val Campo

Schon rollen wir vorsichtig die ersten Meter. Zum Glück hat die Sonne mittlerweile den Boden enteist. Bis zum Bergdorf Cerentino winden sich die Serpentinen herunter auf der uns nun schon bekannten Strecke. Dann biegen wir ab nach Campo. Kein Verkehr, ab und zu die typischen Steinhäuser. Das Tal ist schmal und steil, teils düster, dann wieder freundlicher. Plötzlich  Laufen Ziegen auf der Strasse entlang.

Zielstrebig und unbeirrt lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen, als wollten sie sagen: wir haben nicht Vorfahrt, sondern Vorgang. Kaum haben wir die gehörnten Ziegenböcke mit ihren kecken Bärten hinter uns gelassen, da blockiert eine Herde Schafe den Weg. Vorsichtig schiebt sich der Bulli im Schneckentempo weiter, um die wolligen Gesellen zum Platz machen zu bewegen. Endlich stieben sie auseinander. 

 Da aller guten Dinge drei sind, empfangen uns einige Kilometer weiter einige Lamas. Sie preschen von einer Wiese heran als wollten sie den Bus als neuen Spielgefährten in ihre Herde aufnehmen. Die neugierigen Tiere marschieren umher und mit ihren putzigen wackelnden Kopffellbüscheln machen sie einen verschmitzten Eindruck.

Das wäre  abgehakt. Man muss nicht tausende Kilometer in die Pampa Feuerlands fahren für solche tierischen Erlebnisse. Hinter dem Dorf Campo mit der Kirche Oratorio di San Giovanni Battista weitet sich das Gelände zur Hochebene mit einzelnen verstreut liegenden Häusern. In Cimalmotto auf 1392 Metern ist Schluss. Hier endet die Strasse und wer weiter will, der muss zu Fuss über Pässe ins angrenzende Italien gehen. Wir wollen es heute gemütlich angehen und planen eine Rundwanderung zur Alpe Magnello, die auf 1808 Metern liegt.

Die Alpe wird im Sommer vom Bergbauernhof www.muntlareita.ch bewirtschaftet. Seit 1986 wird muntlareita als Bio Suisse Hof betrieben und wurde über die Jahre aufgebaut. Der Werdegang des Betriebes mit seinen 13 Kühen ist detailliert nachzulesen auf seiner homepage. Erstmal Wasser und Strom selbst erzeugen, bzw. alles verlegen und generell sich dem arbeitsreichen harten Leben des Bergbauern zu widmen, ist eine anzuerkennende Leistung. Neben dem Verkauf von Käse per Versand an Gastronomie und Endverbraucher werden Agrotourismus mit Ferienangeboten und Arbeitseinsatzen auf dem Hof angeboten. Eine eigene Welt der weitgehenden Selbstversorgung, in die es sich sicher einmal lohnt einzutauchen, wer es mag. Wir tauchen tief in den Wald ein und wundern uns über den stets nach unten führenden Weg in eine enge Schlucht. Alles ist feucht. Die kühl Luft umfängt uns. Dann endlich der Aufstieg. Aber es ist kein Spaziergang. Steinig, steil, teils glatt und mit nassen Passagen geht es voran. Endlich wird es sonniger und hohe Fichten im Herbstkleid stehen auf grasigem Boden.

Auch hier kein Wanderer, der uns entgegenkommt, einfach kein Mensch. Ja so wollten wir es haben, aber es ist auch ein bischen unheimlich. Dafür werden wir auf der Alpe, die völlig verlassen ist, mit einem grandiosen Panorama entschädigt.

Perfekt restaurierte Steinhütten scheinen im Sommer als Feriendomizil zu dienen. Jetzt dient uns die Terasse bestückt mit wie hier überall üblich Tisch, Bank aus Granit als Rückzugsort vor dem Wind, um in  Ruhe unsere Wegzehrung zu geniessen. An der frischen Luft schmeckt alles nochmal so gut. Die Rast hat gut getan und wir machen uns an den Abstieg.

Rast auf der Alpe Magnello

Auch wir kommen uns mittlerweile wie Bergziegen vor, den es ist ausgesprochen steil. Mit dem Schuhprofil versuchen wir uns am Untergrund festzukrallen. Bald ist wieder die Baumgrenze erreicht und es wird angenehmer, da sich auch mit den Händen Halt finden lässt. Wir überwinden einen Bach und die Strecke führt auf der gegenüberliegenden Hangseite weiter, nun zunächst grade. So ist es zwar weniger anstrengend, aber dafür um so aufregender. Zur Rechten fällt das Glände steil bergab und der Pfad ist grade mal ca 40 cm breit. Lose Murrfelder und rieselnder lockerer Boden machen die Sache heikel. Unsere Beine werden plötzlich wie Gummi, im Kopf wird es mulmig – Höhenangst.  Höchste Zeit hier abzubrechen. Auch wenn wir fluchen und der Umweg gross ist, wenn wir den Weg zurücklaufen, den wir bisher gekommen sind, unvermeidbar, wir müssen umkehren. Erst wieder ein gutes Stück herauf zur Alpe, da liegt ein hartes Stück Arbeit vor uns. Doch scheinbar kennen die Füsse jeden Stein und meistern bergab die unwegsame Strecke durch den Wald besser als gedacht. Das war mal wieder ein Satz mit X, denke ich. Doch Hauptsache wir kommen heil herunter. Zeit zum Ausruhen, selbst für einen Kaffee bleibt nicht. Axel startet den Motor und rangiert vom Parkplatz. Wie auf Schienen gleiten wir ins Haupttal und erreichen im Dunkeln Bignasco wo wir auf dem für Camper vorgesehenen Platz übernachten.