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Nach kurzem Schlag am Vormittag zurren wir fest an einem norwegischen Segelboot Typ Jeanneau Decksalon. Träger mit Solarpanel, Netze für Obst darunter, Windgenerator, Bimini, keine typische Ausstattung für diese Gegend. Der dunkelblonde, sportliche Eigner erklärt uns:

Wir waren vor zwei Jahren in der Karibik und dann über die Azoren zurück. Daher die Langfahrtdetails an Bord. Sein siebenjähriger Sohn spricht uns in fliessendem Englisch an.

Kurz nach uns erscheint Kirke mit unseren Freunden im Hafen. Sie machen fest und wir verabreden uns für einen späteren gemeinsamen Inselrundgang. Axel joggt und ich erkunde Nordkoster.

Am Hafen verkauft ein grosser Schuppen Kunsthandwerk. Aussenwände und am Wegesrand hängt uns steht über und über ein Wirrwarr aus Figuren in Stein, Eisen, teils rostig belassen oder lackiert. Gartenfreunde können ihr Areal mit Fischen, Blumen, Schildkröten, Vögeln, Schiffen, Leuchtturm oder diversen Männchen verschönern. Wer einen Faible für Innen- und Aussendeko hat, findet hier sein Eldorado. Wanderer, Radfahrer, spielende Kinder, Touristen mit Einkaufstüten oder Eis schleckend kommen mir entgegen. Eine kleine gelbe Pendelfähre verbindet die beiden Inseln Nord- und Südkoster.

Die einzige Verbindung ist dementsprechend voll. Ich wende mich den alten Fischschuppen zu und laufe zur Skagerrakseite. Farbige gepresste Gesteinsmassen sind späte Zeugen der Gletscherwanderungen. Ich hüpfe von Fels zu Fels und dringe immer weiter in Naturgebiet ohne Pfad vor.

Plötzlich liegt ein kleines rotes Haus in einer Mulde. Die Türen und Fenster stehen offen, von drinnen schalt Geschirrgeklappere. Umkehren will ich nicht und die schwierige Strecke noch einmal klettern. Also laufe ich leise und geduckt an der Hauswand vorbei einem kleinen Trampelpfad folgend. Nach wenigen Metern Wasser und unwegsames Dickicht. Mit einigen Sprüngen über in Felsmulden moorig stehen gebliebenes Wasser erreiche ich ein höheres Plateau und sehe einen roten Punkt. Glücklicherweise das markierte Ende eines Wanderweges. Zurück am Hafen fotografiere ich grade einen alten rostigen Schiffsmotor, der aus einem darunter liegenden ausgebrannten Holzschiff stammt. Da kommt ein alter Mann mit schneeweissem Haar und Vollbart. Leicht gebeugt schiebt er seinen Rollator vor. Die Füsse schlurfen über den Sandweg. Aus dem braungebrannten, wettergegerbten Gesicht schauen helle blaue Augen. Die schwarze Hose ist schloddrig und ausgebeult. Schlaff hängt sie und wird mit Hosenträgern gehalten, die sich über ein kariertes verwaschens Flanellhemd spannen. Er hält inne und dreht den Kopf zur Seite, hebt ihn aber nicht an. Auf englisch erklärt er: „ You can buy lobster here, but later. Henk is far out fishing.“ Dabei macht sein Arm eine ausholdende Bewegung. Ich plausche mit ihm noch eine Weile und erfahre, dass seine Tage des Segelns gezählt sind. Er deutet auf einen kleinen Kahn. Es geht nur noch raus zum Fischen um die Inseln, doch gesegelt sei er schon fast überall sein Leben lang. Die Inseln sind schön. Damit mein er aber nicht die Koster Inseln, sondern die Südsee im Pazifik, den er befahren hat. 

Grade erreiche ich den Steg und entdecke den Skipper  sowie Carmen und Axel, schiebend und Leinen ziehend an einem anderen Segler. Sie berichten, dass das Boot beim Anlegemanöver „ Kirke“ am Bug touchiert hat. Doch das Ankergeschirr hat alles abgehalten. Durch Strömung versetzt wurde das Boot nicht mehr manövrierbar. Mit vereinten Kräften mussten sie es quer zur Strömung in die Box ziehen. Die norwegische Besatzung, anscheinend Grosseltern mit ihren Enkeln haben zum Glück an ihrem Boot keine sichtbaren Schäden davongetragen. Nach einem leckeren Nachfrühstück an Bord erkunden wir gemeinsam Nordkoster. Zunächst geht es zum Hafen Vennet wo wir von einem Angler erfahren, dass in der Strömung das Makrelenangeln eine einfache Sache ist. Zwischen schwedischem Festland und den Kosterinseln verläuft der Kosterfjord.

Mit bis zu 247 Metern Tiefe und ca. 3 km Breite ist der Graben der tiefste so dicht am schwedischen Festland. Die unterseeische Furche läuft bis in den Nordatlantik, so dass die Tiefseeströmung  kaltes Wasser mit hohem Salzgehalt (hier ist das salzhaltigste Wasser Schwedens) mitbringt. 6000 verschiedene marine Spezien wurden festgestellt, davon zweihundert einzigartig in diesem Gebiet. Nördlich der Koster Insel liegt Schwedens einziges Kaltwasserkorallenriff auf 84 Metern Tiefe. Seit 2009 Nationalpark erstreckt sich das Schutzgebiet gemeinsam mit dem norwegischen Park Ytre Halver auf 800 Quadratkilometer Meersfläche.  Der Felssockel um die Kosterinseln besteht aus Gneis im Gegensatz zu Granit am Festland.  

Rundblick über Nordkoster

Wir sehen Badebuchten mit Sand, klettern zum Leuchtturm und Lotsenhaus mit weitem Fernblick über das Archipel, es geht durch dichten Wald mit Moos, Flechten und betörend riechenden blühenden Büschen, über einen Zeltplatz mit fest installierten hölzernen Aussenküchen.

Heute hauptsächlich touristisch genutzt, exportierten die Insulaner im 17. Jhdt. grosse Mengen Hummern nach Holland und England. Heute verdienen sich die 320 Einwohner eher mit Angelfahrten, Seehundsafari, Hotels, Ferienhausvermietung, Fahrradverleih und Restaurants ihr Geld. Neben Kirche, Schule und zwei Supermärkten und kleine Boutiquen für Kunstgewerbe gibt es nur die Natur.

Die Kinder müssen ab 10 Jahren zur Schule aufs Festland. Ebenso wie alle Waren per Fähre kommen müssen und Müll sowie Leergut die Inseln über eigene Entsorgungsschiffe wieder verlassen. Die Inseln sind autofrei. Transportmofas und Golfwagen in verschiedenen Ausführungen erledigen den Frachtverkehr. Das leichte Schwinden des Tageslichts und die blaue Stunde tauchen den Sund in eine Lichterstimmung, die Wasser und Himmel verschmelzen lässt. 

Am nächsten Morgen ist allgemeine Aufbruchstimmung. Eine Regenfront ist durchgezogen und viele Boote ziehen weiter. Wir Richtung Norden und „Kirke“ nach Süden. Wir verabschieden uns von unseren Freunden, die uns wie schon in anderen Jahren ein Stück des Weges begleitet haben und viele schöne Erlebnisse mit uns teilten.