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Auf der Themse – London Skyline mit Cable Car

Heute ist es endlich soweit. Der Höhepunkt unserer diesjährigen Reise, die Anfahrt über die Themse in die Millionen Metropole London, mitten in das pulsierende Zentrum dieser Weltstadt auf eigenem Kiel. Wir sind aufgeregt. Wird alles klappen?

Spielt das Wetter mit? Bloss kein Nebel, hoffe ich. Mit den vielen Warnhinweisen im Kopf und einem hastig geschriebenen Zettel ab welcher Tonne auf welchen Funkkanal geschaltet werden muss, richten wir den Bug nach Westen. Bald schon liegt der River Medway hinter uns. Die Themse empfängt uns mit den ersten freiliegenden Sandbänken auf denen sich Robben räkeln was wir hier kaum vermutet hätten. Gegenüber liegt im Dunst der Badeort Southend on Sea. Die Themse ist an dieser Stelle ca.  fünf Seemeilen breit und von Sandbänken unterbrochen, so dass sich mehrere Fahrwasser ergeben.

Aus dem Hauptfahrwasser der grossen Pötte, dem Yantlet sollen sich Yachten möglichst heraushalten. Für die Freizeitschiffahrt gibt es vorgeschriebene Routen und auch festgelegte Stellen zur Fahrwasserquerung, um auf die andere Uferseite zu gelangen. Noch sind die Ufer grün und hügelig. Ein Camp mit festen Mobilheimen liegt querab. Eingequetscht im engen Fahrwasser zwischen den freiliegenden Bänken der Yantlet flats und der Untiefe Great Nore geht es in Sichtweite an einem historsische Wrack vorbei flussaufwärts. Die knapp aus dem Wasser ragenden Masken zeigen wie schwierig die Navigation hier ist besonders in den Zeiten wo es noch keine technischen Hilfsmittel wie GPS und Radar gab. Bei dem dichten Schiffsverkehr in diesem Gebiet ist natürlich auch das AIS (automatic identificating system) eine grosse Hilfe. Kurs, Geschwindigkeit und Punkt der nächsten Annäherung und damit Anzeige einer möglichen Kollisionsgefahr werden dem Schiffsführer elektronisch aufbereitet. Ein enormer Sicherheitsfaktor! Das Fahrwasser führt zunächst auf der eigentlich falschen Seite der Themse entlang (im allgemeinen gilt ein Rechtsfahrgebot auf dem Wasser, auch in England). 

Vorbei am neuen London Gateway Port erreichen wir nach einigen Seemeilen die Passierstelle für die Querung. Es folgen die Blyth Sände und die Mucking flats. Die Ufer werden industrialisierter. Kräne, Hafenanlagen, Molen, halb versunkene Wracks und vertäute Schuten, die an Moorings schaukeln. Kilometerlang windet sich die Themse durch diese eigentlich vom Menschen stark genutzte und damit verschandelte Landschaft. Doch Lebenskomfort gibt es nicht ohne Zerstörung der Natur. Endlos wirken die Raffiniere und Pipelineanlagen, Verladebrücken für Gastanker, ein riesiges Bohrinselschiff und Fabriken, die wir passieren.

Unter anderem auch eine Anlage für Tilda Reis. Wenn ich sehe wie dreckig hier alles ist, dann muss ich mir den Reisverzehr demnächst überlegen. Doch so ist es auch mit vielem anderen was man nicht sieht. Die Skyline des  Vorortes Gravesend wird von einer Moschee beherrscht, deren Dächer silbrig in der Sonne glänzen.  An der hohen Queen Elizabeth II Brücke sind wir nicht alleine.

Ein Kreuzfahrer, die Silver  Spirit kommt von hinten auf. Es wirkt als berührten seine Antennenaufbauten die Brücke. Astarte schiebt mit guter mitlaufender Strömung von fast 3kn durch das milchig braune Themsewasser. Bei Margret Ness ist es soweit. Der Obligatorische Funkruf zum London VTS,

der Verkehrszentrale, um die Freigabe für das Passieren der Tiden Barrieren zu erhalten. Wir bekommen den sogenannten Span genannt, den wir passieren sollen. Das ist die Durchfahrt G. Die silbernen Bögen der Toranlagen ragen in die Höhe.

Nach der unspektakulären Durchfahrt geraten wir beim imposanten Anblick der O2 Arena und der Cable Bahn Anlage, die über die Themse gespannt ist aus dem Häuschen. Bei strahlendem blauen Himmel und nun heissem Sommerwetter passieren wir die Uferskyline von London. Die Kulisse ist beeindruckend.

Aber auch der Schiffsverkehr. Es herrscht Hochbetrieb. Wasserbusse halten unbeirrt ihren Kurs und kreuzen schräg zur nächsten Haltestelle, ihre Vorfahrt erzwingend. Dazwischen schieben sich Ausflugsboote verschiedenster Anbieter. Schnelle Ribs mit aufkreischenden Touristen, die in Schwimmwesten auf die Sitzbänke geschnallt sind, jagen Haken schlagend und mit hoch aufspritzenden Wasserfontänen haarscharf an uns vorbei. Der Kurs ist kaum zu halten. Das Wasser ist aufgewühlt und die Wellen treffen aus allen Richtungen auseinander, so dass wir in Astartes Cockpit wie auf einem Bullride diesen tanzenden Ritt auszujonglieren haben. Der Lärm der Motoren ist gewaltig. Das Wasser um uns herum scheint zu kochen.

Ein Ausweichen nahezu sinnlos, denn überall sausen Boote herum, liegen Hindernisse im Wasser. Schwimmende Müllsammler, Mooringtonnen so gross wie Autos, Schuten, Hotelschiffe. Um das Chaos komplett zu machen treibt aller erdenklicher Müll im Wasser herum. Baumstämme, Bretter auch eine Palette treibt uns entgegen. Wobei treibt bei der starken Strömung noch untertrieben ist. Man jagt eher auf die Objekte zu.

Die Verkehrssituation spitzt sich noch zu, als nun das Kreuzfahrtschiff Silver Spirit vor Greenwich von mehreren Schleppern gedreht wird. Unweigerlich müssen wir den Riesen passieren, den die Strömung treibt uns voran. Keine zehn Meter ist das hoch aufragende Heck nun mehr von uns entfernt. Der Schlepper zieht weiter. Das wird jetzt auch der Hafenpolizei zu brenzlig. Wild schaukelnd prescht das dunkelblaue Boot der Hafenaufsicht auf uns zu. Bevor es zum Ramming mit uns kommt bringen sie den Koloss noch zum Aufstoppen und gestikulieren wild mit den Armen, dass wir uns vom Acker machen sollen. Doch wohin? Wir wollen nicht auf den flachen Ufersockel geraten. Endlich sind wir vorbei, doch über Funk hören wir schon: „Silver Cloud leaving Tower Bridge“. Ein weiterer Kreuzfahrer auf dem Fluss, aber in der Gegenrichtung wird rückwärts uns entgegengezogen. Wieder kommt ein Boot des Harbourmasters und fordert uns auf: „Push, push.“

 

Axel gibt Vollgas und manövriert uns gelassen aus dem Gedränge. Aufatmen können wir aber noch nicht. Im wild aufgewühlten Wasser direkt vor der Towerbridge müssen wir uns noch eine dreiviertel Stunde auf der Stelle halten. Leichter gesagt als getan, da wir bei dieser Aktion nicht alleine sind, sondern auch andere Sportboote darauf warten, dass sich die Einfahrt der Schleuse zum St. Kathrines Dock endlich öffnet. Jetzt an die Mooring Warteboje zu kommen ist auch keine Option bei der starken Strömung. Dort liegen schon die „Vixen“ aus Dänemark, Lady Dil aus UK, Enchanted aus Australien an Mooringbojen und das britische Motorboot „ Apollo“ zieht mit uns Kreise.

Der Reihe nach ruft der Marina Officer die Boote auf. Wir sollen an der kleineren Vixen festmachen und die Mittellücke zwischen der dänischen Elvström und der Apollo schliessen. Es scheint ein verhexter Tag und die nervenzerreissende Fahrt soll nicht langweiliger werden. Die Fussgängerbrücke vor dem Schleusenbecken ist defekt. Es hebt sich nur eine Hälfte. Die Durchfahrt verschmälert sich damit auf ca. 4-5 Meter. Wir sind 3,7 Meter breit und müssen mit den Masten auch noch den leicht schräggestellten Brückenteil der gegenüberliegenden Brückenhälfte passieren. Bei unserer Einfahrt halten nicht nur die zuschauenden Passanten, die Crews der anderen Schiffe, das Hafenpersonal, sondern auch wir den Atem an. Denn das Wasser ist nicht glatt. Kreuzende Wellen, Strömung erschweren das Steuern und die Positionierung des Rumpfes zwischen den Hindernissen. Ein Marina Mitarbeiter stellt sich an die Kante der Eisenbrücke, schwingt sein Bein raus, will helfen uns im Notfall abzudrücken. Eine gefährliche Aktion bei der er sich verletzen könnte. Ich stehe an Deck in höchster Anspannung. Sehr nah rauschen die scharfen Metallkanten der Brücke an unseren Wanten vorbei. Wir sind im Becken. Aber der Tanz hört nicht auf. Bis das Schleusentor in gefühlt endloser Langsamkeit sich hinter uns schliesst, schaukeln wir gegen unser Nachbarboot und die Sülls pressen sich gefährlich versetzt gegeneinander. Wäre die dänische Crew nicht so umsichtig und viele helfende Hände drücken überall ab, hätte es etliche Kratzer gegeben. Als sich die Situation beruhigt verziehen sich die Schaulustigen. Schnell noch ein Foto vom Schleusenbetrieb und den angekommenen Yachties, dann wendet man sich wieder der Tower Bridge zu. Wir erhalten unser Codekarten und einen Liegeplatz zugewiesen. Den Vorschlag des jungen Marina Boys: „ Settle yourself and relax“ nehmen wir dankend an und können dies nun auch wirklich gebrauchen.