Für den nächsten Tag ist Regen angekündigt. Verschnürt in Anoraks, Mützen und Regenhosen marschieren wir zum Bahnhof. Schnell kommen wir in unserer wasserdichten Montur auf unseren Sitzplätzen über den Heizungsauslässen der Bäderbahn in Schwitzen. Der Betreiber meint es zu gut und aus allen Rohren pustet die Hitze. Draussen ziehen Wälder, Felder, Weiden, in Schilf gebetete Seen und Boddenarme vorbei. Nach einer guten Stunde erreichen wir Ahlbeck, das östlichste Seebad der wilhelminischen Zeit auf Usedom. Ein kräftiger Schauer prasselt uns ins Gesicht.
Strammen Schrittes geht es Richtung Strand zur historischen Seebrücke. Sie ist die einzig alte erhaltene Seebrücke aus dem Jahr 1898. Der Charme der alten Bäderarchitektur, weisse Villen mit hölzernen Veranden vermischt sich mit modernen aber behutsam eingefügten Neubauten. Ein Hochzeitspaar mit Fotograf trotzt am Strand einsam dem Wind und Regen. Die Braut zieht ihr langes Kleid über den nassen Sand. Eine dunkle Wolkenwalze über der Ostsee zieht heran. Einige Urlauber kämpfen mit ihren Schirmen gegen die Böen.
Wir laufen die Promenade entlang nach Heringsdorf. Hier wandelt sich die eher angestaubte Atmosphäre Ahlbecks zum mondänen Ambiente. Die Sonne kommt heraus und mit ihr auch die flanierenden Gäste. Hier heisst es sehen und gesehen werden. Vor gut hundert Jahren trug die feine Gesellschaft hier ihre vornehme Blässe zur Schau. Der Kurort wurde als das „Nizza der Ostsee“ geadelt. Damals wie heute beherbergt Heringsdorf illustre Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Steigenberger, Maritim Hotel und andere bekannte Namen setzen auf ein exklusives Klientel . Das Thema Wellness steht hier im Vordergrund. Villen im klassizistischen Stil in erster Uferreihe umgeben von weitläufigen Parkensembles reihen sich aneinander.
Einige werden als hochpreisige Ferienimmobilie vermarktet für den, der das ganz besondere sucht. Schaukästen mit Fotos von der Inneneinrichtung zeigen, dass die Gebäude komplett entkernt wurden und innen modern und hochwertig eingerichtet sind. Gastronomie mit Sterneköchen und edle Boutiquen sorgen heute dafür, dass sich der Gast hier wohlfühlt. Mit 508 Metern Länge ist die in Jahr 1995 neu erbaute Seebrücke die längste in Deutschland.
Als nächstes Seebad schliesst sich Bansin an. Seine besondere Lage zwischen der Ostsee und rückseitig dem Schloonsee locken viele Touristen an. So ist es hier trotz des Wetter schon etwas rummelig. Andenkenbuden, Fischbrötchen, Kuchen, Sanddornschnaps, Kreidemännchen; an jeder Ecke wird irgendetwas vermarktet. Das Seebad Bansin wurde 1897 gegründet und damals so konzipiert, dass auch die Villen der zweiten Reihe den Seeblick geniessen konnten. Es wurde auf Lücke gebaut. Allen Seebädern gemein sind die endlosen Sandstrände mit schneeweissem, feinem Sand und direkt dahinter die schattenspendenden Kiefernwälder.
Vermarktet wird auf Usedom Vineta. Ob Cafes, Restaurants, Hotels, Eisbecher, Theateraufführungen oder Andenken, Apotheken und Strassen sind mit diesem Namen belegt. Vineta ist das Atlantis der Ostsee und irgendwo hier an der Küste vermutet man die Lage. Vor gut 1000 Jahren soll die reiche Stadt Vineta untergegangen sein. Die Sage erzählt die Geschichte von einem Schäferjungen, der seine Herde am Strand hütete als die Stadt auftauchte. Hätte er nur eine Münze gehabt, um den Händlern etwas abzukaufen, hätte er die Stadt erlösen können. Doch so versank sie wieder in den Fluten.
Nach acht Kilometern Promenadenwanderung steigen wir in Bansin wieder in die Bäderbahn.