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Was wäre ein Rügen Besuch, ohne dem Kap Arkona mit seinen drei Türmen einen Besuch abzustatten. Der eisige Nordost hat die Halbinsel Wittow immer noch fest im Griff. So bleiben die Räder auch heute zusammengeklappt und wir entscheiden uns für den Bus.

An der Haltestelle steht eine alte Frau. Wir kommen ins Gespräch. Sie schwelgte noch in alten Zeiten: Früher war hier alles besser. Da habe ich 17,- Ostmark Miete bezahlt, jetzt sind es 520,- Euro. Überall entstehen Neubaugebiete mit Ferienhäusern. Die Klimaentwicklung, alles schlecht was die da oben machen. Kommen Sie aus dem Osten oder Westen? Die obligatorische Check-Frage, um den Lästerkoeffizienten einzupegeln. Hat sie tatsächlich das Empfinden, dass es ihr nun schlechter als zu DDR Zeiten geht? Zufriedenheit ist ja nicht alleinig vom Wohlstand abhängig, aber alleine der Gedanke in einem Staat zu leben, in dem man weder räumlich noch sprachlich bzw. meinungsbildnerisch frei ist, kann doch nicht wirklich als gut und lebenswerter Rahmen empfunden werden. Oder haben wir die falsche Perspektive? Der Bus kommt und wir entziehen uns der weiteren Konversation. Der Raps blüht noch nicht. Nach einer militärisch genutzten Radarstation kommen auch die Leuchttürme am Kap in Sicht. Wir halten nicht in der Einöde wie vermutet, sondern an der Endhaltestelle erwarten uns eine Ansammlung Häuser wo jeder Anlieger versucht im Tourismusgeschäft maximal mitzumischen. Von Kreidemännchen, Wolle, Metallhähne, Schnitzkunst, Aquarellen, überaus hässliche Sandsteinfiguren für den Garten und allem erdenklichen Tand und Trödel, die in alten Scheunen feilgeboten werden, wird man umworben. Cafes, Restaurants locken mit Fischbrötchen, Würstchen, Kuchen und Spargelgerichten. Das soll alles warten. Wir wandern zum Kap, denn der Bus fährt nur noch einmal zurück in drei Stunden. An der Küstenkante bläst der Wind. Trotz des Wetters ist Betrieb. Wir besuchen das Kap Gellort. Es geht eine Klippentreppe herunter.

Reetdachhäuser

Reetdachhäuser

Blick auf Kap Arkona

Blick auf Kap Arkona

Dann zu den Leuchttürmen. Es gibt einen eckigen älteren Turm und einen neueren, höheren runden Turm. Im Eckigen kann man sich trauen lassen. Prompt steht in der Glaskuppel auch ein Brautpaar und bekommt seinen Segen. Der 19m hohe klassizistische eckige Turm wurde 1825-1829 nach den Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel gebaut. Anfang des 19. Jhdts. Erbaute man den 17 m höheren runden Turm mit elektrischem Blinklicht. Den Besuch der unterirdischen Bunkeranlage ersparen wir und uns gehen vorbei am ehemaligen Peilturm und den Erdwällen der slawischen Jaromarsburg Richtung Fischersiedlung Vitt. Hier ducken sich rietgedeckte Häuschen in eine Mulde zwischen zwei Steilhängen. Die frommen Dorfbewohner lebten vom Fischfang und das ging dem Gottesdienst vor. So hatten sie einen Utkieker dabei. Sobald er mit seinem Ausruf: „ de Hiering kümmt“ den Pfarrer bei seiner Predigt unterbrach, liefen die Männer und Frauen der Gemeinde zu ihren Booten.

Leuchtturm Kap Arkona

Leuchtturm Kap Arkona

Bunkereingang am Kap

Bunkereingang am Kap

Jetzt haben wir noch eineinhalb Stunden Zeit bis zur Busabfahrt. Es ist kalt. Also entschliessen wir uns ein Cafe zu besuchen. Das Bauerncafe verspricht in der Werbung hausgemachten Kuchen und idyllische Atmosphäre. Die Realität sieht anders aus. Am Selbstbedienungstresen steht eine ältere Frau im Kittel und macht einen verhärmten Eindruck. Nahezu wortlos nimmt sie die Bestellung auf. Der Kuchen entpuppt sich als Schaumstoffmasse in dem man die Obststückchen suchen muss. Das Ambiente is schmuddelig.

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Kitschiger Krimskrams ist über und über mit Spinnweben überzogen. Auf der Tischdecke kleben Haare und der Boden wurde vielleicht im vergangenen Jahrhundert zuletzt gereinigt. Am Tresen entwickelt sich derweil eine Diskussion anderer Gäste, warum man hier für den Toilettenbesuch als konsumierender Gast auch noch EUR 0,50 bezahlen soll. Geheizt ist natürlich auch nicht. Wir verbuchen den Reinfall als Eintauchen in das alte Leben in der Ostzone und suchen das Weite.