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„Du das war ein Peyton Tag“, bemerke ich beiläufig, während ich mich rückwärts an die Cockpitwand anlehne und ein Bein auf die Ducht lege, das andere angewinkelt über den Cockpitsüll baumeln lassen und am Himmel die ziehenden Wolken gedankenverloren beobachte. Der Skipper ist in sein Handy vertieft und registriert meinen Einwurf nur am Rande.

Im Päckchen

Nach einer Weile fragt er: „ was für ein Tag?“ Ich antworte: „ PEEEETOOON. Du weißt schon der britische Karikaturist, Mike Peyton.“

„Verstehe ich nicht“, kommt seine Antwort, während er weiter konzentriert liest. „ Na ja“, sage ich, „der ganze Tag ist ein einziger Witz. So viele Situationen heute wie sie ideale Vorlage für Peyton wären, daraus seine witzigen Karikaturen abzuleiten, die immer so gekonnt pointiert sind und einfach eine eigene Klasse haben.“

Wer gerne schmunzelt, dem sei als Einstieg in die “Peyton Welt” der Artikel in einer älteren Ausgabe der Yachtingworld empfohlen, der als Nachruf auf den in 2017 verstorbenen Peyton erschienen ist:

http://yachtingworld.com/cruising/mike-peytons-guide-to-becoming-a-bargain-basement-yachtsman-an-extract-from-his-book-quality-time-108748

Mir gefällt die Stelle am besten wo die englische Crew nach Amsterdam segelt und sich mit Zeichensprache verständigt, um ein Restaurant zu finden. Dabei landen die Herren ganz woanders, mehr verrate ich an dieser Stelle nicht.

Unsere Aufmerksamkeit wird auf ein grosses Motorboot gezogen, dass inmitten des Hafenbeckens auf der Stelle manövriert und dessen Crew Anstalten macht, das Schiff für das Anlegemanöver vorzubereiten. Fender werden positioniert und Festmacher belegt. Der Mann am Ruder lässt immer wieder das starke Bugstrahlruder seinen Dienst tun. Rund um das Hafenbecken liegen bereits Yachten oder Arbeitsschiffe und am einzig leeren Kai prangt ein grosses Reserviertschild mit einem unmissverständlichen Zeichen nicht anzulegen.

Bulliger Bug des Kabellegers
Bulliger Bug des Kabellegers

Der  ca. 70 Fuss lange Koloss nähert sich einem kleinen Segler auf der uns gegenüberliegenden Hafenbeckenseite und versucht diesen zum Verholen zu bewegen, denn wenn der kleine Segler ins Päckchen gehen würde, dann könnte die Motoryacht unterkommen. Doch das Ansinnen des Neuzugangs scheitert. Mittlerweile verfolgen die Crews rund um das Becken den Disput. Beharrlich bleibt die Motoryacht dem Segler auf der Pelle. Aber ohne Erfolg muss sie  dann doch abziehen. Aufgeregt laufen am gegenüberliegenden Ufer einige Segler zusammen und am Gestikulieren erkennen wir, dass sie lautstark ihre Positionen verteidigen. Der späte Ankömmling trollt sich zum Vorhafenbecken und macht an der Spundwand fest, die zwar dem Schwell ausgesetzt ist, aber in dem stäbigen, schweren Koloss nicht spürbar sein dürfte.

Der Futterneid auf Liegeplätze; wieder ein Fundus für Peyton.

Aber von vorne – wie begann unser Tag?

Wetter und immer wieder Wetter. Es ist das bestimmende Element in Seglers Leben. Es ist ein Wettlauf, jeder weiss worauf es jetzt ankommt. Unterzukommen! Häfen vor Kaps und an Verkehrsknotenpunkten sind Sprungbretter, Sammelbecken, wenn der stetige Strom ins Stocken gerät. Da gibt es die Waghalsigen, die Unbedarften, die Vorsichtigen, die Durchgeplanten. Wir sind eine Mixtur, spontan, aber auch nichts auf Deubel komm raus, ein grober Plan aber nicht zwingend an ihm kleben. Volle Häfen bilden den Querschnitt über alle Charaktere ab. Ein Synonym dafür ist Simrisham unser heutiges Ziel, liegt der  Hafen doch nah an Schwedens südöstlichster Spitze. Da gibt es noch Skillinge oder Kivik, aber diese Häfen sind kleiner. Wetterbedingt schminken wir uns einen längerer Aufenthalt in Nogersund  ab. Trödeln ist nicht angesagt, denn es liegen noch längere Etappen gegen West vor uns. So hoffen wir heute noch mit einigermassen Halbwind weiterzukommen. Wir haben die Rechnung ohne den Wettergott Petrus gemacht. Der Wind fällt doch mal wieder vorlicher ein, als uns lieb ist. Da hilft es nichts und wir müssen kreuzen. Mit viel kneifen am Wind arbeiten wir uns vorwärts, doch die Stunden vergehen und genau genommen ist die fahrt durchs Wasser zwar schön, ein wunderbarer Segeltag, aber unserem Ziel kommen wir nicht wirklich näher. Am Horizont fahren sie wie aufgereiht schon seid dem frühen Morgen. Die Segler aus dem Hanöer Hafenbecken,schnurgrade unter Maschine Richtung Simrishamn. Im AIS sehen wir die Knoten, meist mit Höchstgeschwindigkeit. Ja der Wettlauf hat begonnen. Darauf haben wir keine Lust und nehmen die Kurse wie sie der Wind diktiert, die Stunden addieren sich. Aber ankommen tun wir trotzdem, halt nur viel später. Als Astarte den Bug zwischen den Molen hat und in das Yachtbecken eindreht, ist es für uns keine Überraschung nur vollgepackte Stegreihen zu finden. Da kommt mir die Idee an der Aussenmole bis ganz hinten durchzufahren, denn wir kennen den Hafen und wissen dort ist noch ein langer Längssteg. Auch an die Kopfstege können wir nicht, da diese umgebaut wurden und nun nicht mehr zum Anlegen geeignet sind. Der lange Steg am Ende ist schön leer, nur ein Boot. Doch unsere Vorfreude auf den guten Platz wird jäh eingebremst. Das Echolot zeigt jäh nur 1,40 m an. Schnell stoppt Axel auf und wir drehen ab. Versandet hier ist kein anlanden drin. Wir einigen uns drauf, dass wir es im Fischereihafen versuchen. Mittlerweile bläst uns eine stramme Brise entgegen. In den alten Becken sind hohe Steinkais mit wenig einladenden grossen schwarzen Autoreifen bewehrt. Der Wind steht fuchtig auf die Kaimauer und kleine retrospektierende Wellen klatschen gegen Stein. Langsam prischen wir uns an eine grosse Yacht in einer günstigen Lee-Ecke heran. Der Däne lässt uns anlegen, zwar mit wenig Begeisterung, da die ungemütliche Luvwand teilweise noch frei ist, aber er duldet uns. Anders eine deutsche Rennyacht die hinter uns einläuft und vor uns im Päckchen anlegen will. Sie wird mit lauter unmissverständlich unfreundlichen Worten weggejagt und muss sich in Millimeterarbeit hinter einen Kabelleger an die Spundwand legen. Ist nicht nur das atmosphärische Klima entgleist, so stellen wir fest, dass auch das Klima unter den Segelkollegen rauher geworden ist.

Ein Schild am Kai weist den Segelgast an, dass die Hafengebühr für Nutzer im Fischerbecken an einer Zahlstelle ungleich der uns bekannten im Yachthafen zu entrichten ist. Wir machen uns auf den Weg, finden aber kein Hafenbüro. Ein Mann von einem Boot gegenüber verweist und auf das nächste Hafenbecken und so wandern wir weit ohne Erfolg. Es ist schwül, aber wir geben nicht auf. Doch zum Yachthafen, aber da ist auch nichts. Dann zum hinteren Ende des Yachthafen wo früher ein Büro war. Das ist geschlossen. Abgekämpft landen wir wieder an unserem Hafenbecken. Die Crew von der Rennyacht legt Eismeerkrabben zum Auftauen auf das Kajütdach und fragt uns wie man den Strom freischalten kann. Die Bordfrau mein: „wir kochen mit Induktionsplatte, aber wenn kein Landstrom da ist, dann haben wir auch Gas.“ Dabei bemerkt der Skipper der Rennyacht, dass er für den schlechten Service kein Hafengeld zahlen will. Eigentlich hat er Recht. Es ist auch dreckiger als früher im Hafenumfeld. Nach einigem hin und her und einer weiteren Stunde, haben wir die Info Puzzelstücke von verschiedenen Seglern zusammengesetzt, können über eine App bezahlen und endlich auch den Strom freischalten. Der Abend ist mit diesem Prozedere mehr als ausgefüllt gewesen und für Entspannung bleibt nicht mehr viel Zeit. Ich resümiere genervt: „Morgen will ich weiter, hier gefällt es mir nicht.“ Der Skipper zuckt nonchalant mit den Schultern und antwortet: „ Das Bordfrau-Quengeln ist mein PEYTON“.

Bordfrau
Bordfrau