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Einige Ungeduldige sind bereits am Vortag aufgebrochen, doch wie wir im AIS sehen, meist nicht weit gekommen. Selbst zwischen den Schären wirft der starke Westwind eine unangenehme Windsee auf. Jetzt hängen die Weitergereisten am Anker schwoiend verkrochen hinter Schären.

Schiffahrtsmuseum Karlskrona

Wir haben noch eine gemütliche Nacht im Hafen verbracht und brechen einen Tag später auf. Das Wetter hat sich beruhigt und wir hoffen West gutzumachen, denn das Zeitfenster bis zur nächsten Westwindlage ist klein. Bald schippern wir vorbei an der Skyline Karlskronas und werfen einen letzten Blick auf die Museumsschiffe am Kai.

Der Skipper prüft unsere Reisegeschwindigkeit, müssen wir doch zum festen Zeitpunkt vor einer Klappbrücke sein, die auf dem kürzesten Weg für uns nach Westen liegt. Grade diskutieren wir noch, ob die Brücke auch geöffnet wird, da sehen wir eine Person auf einer Yacht auf dem Vordeck stehen und die Arme kreisend schwenken. Mit dem Fernglas erkenne ich die Lage deutlicher und melde dem Skipper: „ Du, das ist ein Notsignal, der braucht anscheinend Hilfe“. Astartes Bug richtet sich auf das neue Ziel aus. Nach 10 Minuten haben wir den Segler erreicht. Deutsche Nationale, circa 9 Meter langes Boot, die Segel sind aufgetucht. Erleichtert winkt der Deutsche herüber, als wir uns nähern und sagt: “ich habe einen Maschinenschaden, springt nicht an. Wollte die Brücke erreichen, aber dann sprang der Motor nicht an und ich musste abdrehen.“ Mein Skipper plant kurz das Abschleppmanöver und gibt Anweisungen zum abfendern beider Boote und der erforderlichen Leinenverbindungen. Nach fünf Minuten haben wir den Havaristen längsseits genommen und wie ein Baby im Tragesack liegt die Yacht verschnürt an Astartes Bauch. Wir sehen wie sich Erleichterung im Gesicht des sympathischen Einhandseglers breitmacht.

„Alle anderen sind vorbeigefahren, da ja jeder die Brücke kriegen will, ihr seid die einzigen, die mir nun helfen“, meint er. Während der halben Stunden Fahrt zurück zur Marina beruhige ich den Mann und meine: „ es wird schon alles klappen, wenn Sie erstmal fest sind.“ „Ja“, antwortet er: „ vielleicht ist nur eine Düse oder ein Filter verstopft, doch unterwegs wollte ich nichts zerlegen.“ Mein Skipper schwenkt gekonnt ein und platziert den Havaristen genau am Aussensteg längsseits in eine verfügbare Lücke. Mittlerweile bin ich bei ihm an Bord und springe auf den Ponton, um den ersten Festmacher zu belegen. Wir lösen uns von dem kleineren Boot während sich sein Eigner erneut bedankt, will eine Flasche Wein besorgen oder sich irgendwie erkenntlich zeigen. Wir winken ab und geben ihm zu verstehen, dass keine Geste nötig ist. Man hilft sich auf See, es ist selbstverständlich, denn selbst ist man auch froh im umgekehrten Fall, wenn Hilfe kommt.

Astarte nimmt wieder Kurs auf und wir kommen überein, dass wir die Brückenöffnung nun verpasst haben, nehmen es gelassen und kennen schon die zeitraubende Alternative, da wir vor Jahren diese Route schon einmal genommen haben. Ein schmales Fahrwasser zwischen den Inseln führt aus dem Schärengürtel heraus, doch an der schmalsten Stelle mit felsigem Untergrund zwischen den Schären fällt der Tiefenmesser auf zwei Meter.

noch hinter dem geschützen Scheerengürtel im ruhigen Wasser

Die seewärtigen Ausläufer der zerklüfteten Schärenfelsen blecken drohend und von weisser Gischt umspült hier und da heraus. Die Stimmung ist etwas unwirklich, keine Seele weit und breit. Ich halte den Tiefenmesser im Auge, als wir die Engstelle passieren. Dann sind wir durch und schon erfasst uns der alte Schwell. Es kommt uns wie eine Ewigkeit vor, bis wir endlich die letzte Tonne erreichen, Segel setzen können und abfallen, um Stabilität ins Schiff zu bekommen und die Schaukelfahrt  hinter uns lassen. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt nicht, denn Winddrehungen zwingen zu häufigen Segelmanövern sowie mehrfachem Ein- und Ausreffen.

Dunkle Wolkengebilde türmen sich am Horizont auf und wir sind froh, dass sie uns nicht einholen. Am frühen Abend erreichen wir die Insel Hanö.

Hanö ist immer ein beliebtes Ziel für Segler, da die Insel landschaftlich schön ist und einfach auf der typischen Route liegt, um von Nordost nach Südwest zu kommen oder umgekehrt. Wir steuern die Hafeneinfahrt an und sehen schon eine Vielzahl von Masten. Das kleine Becken ist propevoll und wenig Raum zum wenden erschwert das Manövrieren. Ein geeigneter Platz wird uns weggeschnappt vor der Nase, da sich eine andere kleinere Yacht an uns vorbei quetscht, dreht und dann an einem viel grösseren Boot längsseits geht, statt uns drehen zu lassen, um dann nachdem wir dort festgemacht haben wiederum an uns festzumachen. Wir wollen nun nicht an einem wesentlich kürzeren Boot anlegen. Bleibt nur noch ein Platz in dritter Reihe an einem Schiff in gleicher Grösse, doch hier liegen wir nur einige Minuten, da der Wind mittlerweile aufgefrischt hat und ein starker Schwell direkt in die Hafeneinfahrt gepresst wird, genau auf diese Seite trifft und die Boote auf und nieder tanzen lässt. Wir diskutieren kurz und legen wieder ab, denn auf vermeintliche Nachtwachen, um Leinen und Fender nachzujustieren haben wir beide keine Lust. Also geht es weiter an die gegenüberliegende Festlandküste nach Nogersund. Für uns Neuland und unklar, ob der Hafen überhaupt geeignet ist. Die Überfahrt wird nass. Schauerböen fegen über das Wasser und hinter uns spannt sich ein Regenbogen über die Insel Hanö, die langsam kleiner wird.

Hafeneinfahrt von Nogersund

Nogersund ist eigentlich ein Fischereihafen. Weisse gestrichene Autoreifen puffern die steinernen Kaimauern ab. Die als Gästebereich markierten Y-Stege sind für uns zu eng und wir gehen stattdessen im ersten Becken längsseits. Im Regen verlege ich das Stromkabel. Jetzt aber erstmal unter Deck und endlich zu Abend essen. Später hat es aufgeklart und wir erkunden bei einem Verdauungsspaziergang das Hafenumfeld. Ein typischer Arbeitshafen mit Schiffshellig und Fischereibetrieb, aber auch Standort für einen riesigen Wohnmobilhafen. Der ist richtig voll, aber in Schweden sind generell grosszügige Abstände zwischen den Fahrzeugen vorgesehen aus Feuerschutzgründen. Wir sind froh in Nogersund untergekommen zu sein, nach diesem langen Tag, denn viele Alternativen Unterschlupf zu finden bietet diese Küste nicht.