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Wasser, eau, water, aqua. Mit beiden Händen stiebe ich durch das kühle Nass im Wassertrog auf dem Maiensäss und geniesse den Tropfenregen, der auf mich nieder prasselt. Der Aufstieg bisher war „ strääääng“ wie man hier zu sagen pflegt.  

Die Sonne knallt mal wieder, aber an den Schattenhängen ist es jetzt schon ungemütlich. Daher haben wir das Rheintal bei Zillis verlassen und uns zum Naturpark Beverin herauf geschraubt. Das Haufendorf Mathon liegt mit zehn anderen Parkgemeinden im 412 Quadratkilometer grossen Nationalpark, der besonders für seine Steinbock Kolonie mit noch ca. 350 Tieren bekannt ist. In Höhenlagen zwischen 2000 bis 3000 Metern bewegen sich die Capricorns, denen hier oben im Nachbarort Wergenstein ein Museum gewidmet ist. Zur Zeit ist es geschlossen wie viele andere Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele auch. Einige Alpsteinböcke leiden unter einer durch Schafe eingeschleppten Infektion mit Bakterien, die bis zur Erblindung führen kann. Die Tiere verhungern oder stürzen ab.

Der Gipfel des knapp 3000 Meter hohen Piz Beverin bestimmt das Bild gen Westen.  Piz Toissa, Piz Curver, Piz Vizan und das Muttner Horn liegen auf der anderen Talseite gen Osten.

Wir laufen über eine Hochebene und die gelblich vertrocknet wirkenden Wiesen sind immer wieder von Wasserläufen durchzogen. Versprenkelt liegen Hütten auf dem Plateau. Aus einer steigt Rauch auf. Überall ist bereits Holz gestapelt. Vereinzelte Wanderer mit Stock oder Hund suchen die Stille und Sonne hier oben. Unser Wander Wendepunkt ist ein kleiner See.  

Wir haben Glück, dass es grade noch windstill ist als wir ihn erreichen und er wird zum Spiegel der Berge. Flüchtig ist der Genuss, denn bald schon kräuselt sich die Oberfläche und der Wind zerstört das Kunstwerk der Natur.

Wir machen uns an den Abstieg Richtung Lohn, denn von dort wollen wir über den Klangweg zurück nach Mathon wo Büssli auf uns wartet. Durch verschieden Installationen von hohlen Bambusstäben, über Röhren, grosse Triangeln oder  aufgehängte Kochtöpfe wird der Besucher animiert drauf zu hauen, in Schwung zu bringen und Klänge zu erzeugen. Am besten gefallen mir die Kuhglocken, deren Scheppern noch hinter uns her hallt, nachdem ich sie „ in Gang“ gesetzt habe.

Plötzlich steht ein Esel vor mir. Die Esel weiden hier oben ohne Zaun. Er ist keck und lässt nicht ab von meinem Rucksack. Da fällt mir ein wieso. Es ist noch ein Apfel übrig, den er wohl riecht. Na gut, sollst Du haben. Ich krame den Apfel heraus und schwups reisst Mr IA mir mit seinem Maul auch schon den Leckerbissen von der Hand. Schnell verschwinde ich von der Wiese.

Nach einer Kaffeepause im Bus geht es weiter nach Wergenstein. Da gibt es nicht viel. Kühe schauen auf, als wir die offene Stalltür passieren. Sie sind die einzigen sichtbaren Lebewesen. Sonst ist alles verwaist und die nicht vorhandenen Bürgersteige wirken hochgeklappt. Auf der sehr schmalen Strasse kommt uns der Postbus entgehen. Die gelbe Flotte fährt in der Schweiz in den hintersten Winkel und wird oft von Touristen als Wanderbus genutzt. Hier jedenfalls ist er heute leer. Hier oben ist keine Menschenseele mehr, schon gar nicht um diese Jahres- bzw. Tageszeit und gleich wird es sowieso bald dunkel. Nach dieser Überlegung beschliessen wir,  in einer Parkmulde direkt an der Strasse für die Nacht zu parken. Dafür werden wir nicht nur mit einem Alpenleuchten belohnt, sondern hier oben ist der Sternenhimmel jenseits der sonst üblichen Lichtpollution unvergleichlich schön und eindrücklich.

Der Abend klingt aus mit einem Tatort. Axel hat eine kleine Spielerei vorbereitet und lädt mich in sein „Kino“ ein. Wir wechseln auf Fahrer- und Beifahrersitz. Der Film läuft auf dem Bildschirm der Navigation. Mit dem Surround Sound und in den bequemen Sitzen kommt richtig Kino Flair auf. Der Krimi ist spannend, natürlich geht es um Mord. Kleinlaut frage ich Axel zwischendurch: „ Hast Du auch zentral verriegelt?“