Kalmarsund südwärts

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Borgholm

Ein kalter Hauch liegt in der Luft, als wir das Fahrwasser von Oskarsham heraus motoren und die Industriekulisse langsam weicht. Die Sonne steht gegenan und lässt die blanken Felsen der abgerundeten Schären im besonderen Licht erscheinen. In der Ferne ragt dunkel die Insel Bla Jungfru wie ein Kegel über dem Wasser auf.

Unwillkürlich wendet sich der Blick zu dem mystischen Eiland. Nahezu kreisrund ist die Insel aus dem jüngsten Granit Schwedens geformt. Aussergewöhnliche, markante Landschaften und Formen der Natur haben den Menschen schon immer verleitet zu Interpretationen und Vermutungen. Über die Entstehung fernab naturwissenschaftlicher Erkentnisse findet das Volk gefallen an höheren Mächten und so formen sich Gestalten mit übernatürlichen Kräften, die mal Wohl oder Unheil bewirken. Fischer glaubten in der 66 Hektar grossen  Insel den Bla Kulla, den Berg auf dem sich in Schweden zur Osterzeit jedes Jahr die Hexen treffen,  zu erkennen. Oft Wind umtost und Nebel verhangen ranken sich viele Mythen um die Felseninsel aus rotem Granit, deren höchste Flanken 86m aufragen. Wieder einmal hat es nicht geklappt, selbst einen Fuss auf diesen witches rock zu setzen, denn der Seelenverkäufer von Fähre schien stillgelegt und Astarte können wir an den heiklen Ankerstellen nicht sicher zurück lassen. Mit einem letzten Blick zum dunklen Punkt am Horizont verabschiede ich mich mit meiner inneren Stimme zu mir sagend: „ Wir kommen wieder.“

Bla Jungfru

Das im Verhältnis kurze Etmal nach Borgholm zieht sich hin. So ist es eben, wenn der Wind als Antriebsmotor dient. Geduld ist notwendig. Zwar zeigt sich schon länger die markante Burgruine des Bordholm Slotts, das im 16. Jhdt vom Architekten Nicodemus Tessin für König Karl X. Gustav geplant wurde und dann bis auf die mächtigen Kalksteinmauern und vier Rundtürme im Jahr 1806 ausbrannte. Doch nur langsam kommen wir der Küste näher.

Borgholm Schloss Ruine

Borgholm ist der Hauptort Ölands mit seinen 3000 Einwohnern und vor allem als Sommersitz der schwedischen Königsfamilie bekannt, die im nahegelegenen Schloss Solliden oft ihre Ferien verbringt. Der Schlossgarten ist für das Publikum zugänglich.

Gegen Mittag erreichen wir die Marina von Borgholm und werden von einem winkenden Hafenmitarbeiter angewiesen, gleich in Richtung der Bojenplätze zu drehen. Allerdings scheinen die meisten Bojen für noch kleinere Boote vorgesehen zu sein, denn schlaff pendelt die Kunststofftonne unterm Bug und kann nicht auf Zug gebracht werden. Mit dem Heck hängen wir schon am Steg. Genüsslich verfolgen etliche Hafengäste unsere Manöver. Wir wechseln an einen anderen Steg und dort hat Astarte die Nase im Wind, denn so hängt ihr Gewicht am Steg und weniger an der Hecktonne.

Borgholm hat sich kaum verändert. Wir schlendern über die volle Fussgängerstrasse. Der grosse Renner sind Eis und Waffeln. Die Gerüche vermischen sich, es ist ein Geschiebe und Gedränge, kaum lässt sich eine Lücke finden. Selbst den Kauf von Brot lassen wir fallen, denn auch beim Bäcker herrscht Hochbetrieb. Dafür gibt es Kartoffeln und Gemüse vom Marktstand.

Grade als wir das Abendessen kochen, gibt es einen Rums. Sofort sind wir im Cockpit und entdecken die Ursache. In Luv hängt eine 30 Fuss Hallberg Rassy an unserer Bordwand und schiebt sich langsam vorwärts. Zum Glück haben die Fender das Schlimmste verhindert. Wir ziehen den Bug in den richtigen Winkel, damit vom Neuankömmling keine Gefahr für unsere Bordwand mehr ausgeht. Der Rudergänger bedankt sich für die Hilfe und ruft uns zu: „ We have done worse“. Der Brite ist mit seiner Partnerin von Holland nach Finnland unterwegss. Die beiden wollen Helsinki erreichen, denn sie stammt von dort. Mittlerweile ist das Essen kalt, doch besser als Kratzer im Rumpf.

Borgholm bereitet sich auf den Geburtstag von Kronprinzessin Victoria vor. Sicherlich ein Ereignis, denn sie wird gemäss Ankündigung an der Bevölkerung vorbei defilieren. Bis dahin sind es noch einige Tage und wir entscheiden uns schliesslich nicht auf den Geburtstagsumzug zu warten. Das Rahmenprogramm mit Musikbands und Konzerten am Hafen verspricht Trubel und Krach, vermutlich schliesslich zu viel als uns lieb ist. Also brechen wir am nächsten Morgen auf. Unser englischer Nachbar beäugt interessiert das Ablegemanöver. Starker Seitenwind drückt uns bereits nach Lee und das Auslaufen entlang der wabbeligen Tonne gelingt nur, indem wir mit einer sehr langen Leine das Schiff nach achtern verholen und unsere Tonne an Luv auf die Mitte kurzstag nehmen, um dann im entscheidenen Moment schnell die Heckleine durch das Auge der Boje ausvieren lassen und mit Speed rückwärts Fahrt aufnehmen. Die vorher zurechtgelegte Taktik gelingt. Diemal kein Hafenkino zur Enttäuschung der umliegenden Segler. Sportlich geht es südwärts über den Sund.

Kalmar

Erst hinter der Ölandbrücke kurz vor Kalmar bergen wir die Segel nach einer rasanten Fahrt. Wie gehabt ist der Hafen gut gefüllt, doch wir haben Glück und kommen vorne an in einer Ecke unter. Dort hinein zu rangieren sind wir so konzentriert, dass wir erst nachdem wir fest sind sehen , dass wir witzigerweise gleich in der Nähe der „Ruby Tuesday“ liegen.

Brigitte und Robin haben sich von Süden heraufgearbeitet und wir sind nun wieder in Kalmar zusammengetroffen. Freundlicherweise haben die beiden für uns Postschiff gespielt, denn sie transportieren für uns ein Päckchen noch aus Greifswald und durch unsere unfreiwillige Panne, dachten wir nicht mehr an die Chance auf ein erneutes Treffen. Das Wiedersehen wird am nächsten Abend an Bord der Ruby Tuesday gebührend gefeiert mit selbstgemachter Gingerlimonade von Brigitte und einer Auswahl leckerer Nibbles. Robin und Brigitte brauchen eine neue Gasflasche. Ihr System ist in Schweden nicht Standard und so muss die Flasche befüllt werden. Solche Dinge gehören zum Segelalltag, aber brauchen meist mehr Zeit, da der Teufel oft im Detail steckt und manchmal technische Hürden bereit hält. Der Urlaubsrummel hat sich noch einmal gesteigert, daher wird der Stadtrundgang nur kurz, zumal es sehr warm ist.

Ruby Tuesday will nach  Norden weiter segeln und so werden Häfen und Ankerplätze erörtert. Für uns steht der Rückweg an, denn wir wollen segeln und den guten Wind ausnutzen, der aus der passenden Richtung kommt.  

Robin möchte natürlich alles über unseren unfreiwilligen Stop in Peenemünde erfahren. Schliesslich resümiert er, dass ein Auspuffkrümmer eben ein Verschleissteil ist und er deshalb für seinen Motor einen Krümmer an Bord  im Ersatzteilbestand hat. Von Brigitte lerne ich unterdessen eine englische Redewendung und erfahre was ein „red hering“ ist. Der unterhaltsame Abend endet und wir wissen in diesem Jahr war es unser letztes Wiedersehen, denn am nächsten Morgen wollen wir früh Richtung Karlskrona aufbrechen. Eingeklemmt zwischen der Stegecke und einem schwedischen grossen Motortrawler, der seinen vorab reservierten Liegeplatz in Kalmar nicht einnehmen konnte, weil er für diesen zu gross war und uns nun quasi zugeparkt hat, müssen wir erst seine Abfahrt abwarten. Vereinbart ist, dass wir um 7.00 Uhr unseren Platz verlassen können. Bereits eine Stunde vorher höre ich aus der Achterkoje wie die Grand Banks ablegt. Der nette Schwede hat also mehr als sein Wort gehalten. Das Schiff sehen wir auf unserer Rückfahrt noch mehrfach. Trotz der frühen Stunde haben es sich Brigitte und Robin nicht nehmen lassen, uns zum Abschied zu winken. Langsam schiebt Astarte sich aus der Lücke. Nachdem wir uns winkend verabschiedet haben und ich grade die Festmacher aufschiesse, ruft der Skipper: „ die Motor Drehzahl Steuerung reagiert nicht“. Auch ich habe gemerkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Hilflos treiben wir zwischen den Bojenreihen ohne Chance irgendwo eine Leine werfen zu können, um das Boot zu fixieren. Im abgedeckten Hafenbecken ist kaum Wind. Die anderen Crews schlafen noch. Es ist nirgendwo jemand zu sehen. Wenn wir auf die Heckbojen der eingeparkten Boote gedrückt werden, dann wird die Sache unangenehm. Ich halte den Atem an. Axel gelingt es das Boot zurück an den Steg zu rangieren. Wir haben grosses Glück, dass kein kräftiger Wind uns weiter abgetrieben hat und der Skipper so virtuos steuern kann. Robin bietet seine Hilfe an. Axel findet die Ursache schnell. Eine Schraube am Gaszug hatte sich gelöst und die Schaltung damit wirkungslos gemacht. Eine halbe Stunde später laufen wir ohne weiteren Zwischenfall aus und kaum aus dem geschützten von Gebäuden abgedeckten Hafen von Kalmar, dreht der Wind auf. Unterwegs haben wir mit Segelmanövern alle Hände voll zu tun.

Es wird ein langer Seetag, der kräftezehrend aber auch sehr schön ist. Die Natur hat eine Leinwand ausgerollt mit Wolkenstrukturen und Farben wie sie auch der begabteste Maler nicht mit seinen Pinselstrichen wiedergeben könnte. Wir nehmen die wechselnden Stimmungen in uns auf und nach einigen Stunden runden wir die Südostspitze Schwedens.

Nach anstrengenden Kreuzschlägen erreichen wir das Hauptfahrwasser nach Karlskrona. Die alte Garnisonsstadt ist auch heute noch der Hauptmarinestützpunkt Schwedens. Strategisch so geschützt durch die vorgelagerten Schären vor feindlichen Angriffen durch Schiffe gelegen, wurde sogar die einzige Tiefwassereinfahrt künstlich verschmälert, mit Unterwasserstahlnetzen gegen unerwünschte Besuche von U-Booten versehen und auf den flankierenden Inseln richten sich die Geschütze der Verteidigungsanlagen gegen See. Sportboote und Kreuzfahrtschiffe, die Touristen bringen sind natürlich willkommen und so passieren auch wir das Nadelöhr zu den geschützten Innengewässern unbehelligt.  

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2 Comments

  1. Carmen & Axel

    Toller Bericht und schöne Fotos, die uns ein Stück auf Eurer Reise mitnehmen. Weiter so!

  2. Ruby Tuesday

    Great description, and part of it brings back good memories for us too! Glad that the Kalmar problem wasn’t too difficult in the end. We did actually see the Crown Princess birthday procession in Borgholm a few days after you were there.

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