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Der Wecker klingelt. Es ist 6.00 Uhr morgens. Ich drücke auf „stop“ und drehe mich wieder um. Eine halbe Stunde später springe ich dann doch auf. Wir wollen zur Fischauktion und die ist um 7.00 Uhr morgens.

Neptun

Im Yachthafen legen die ersten Segler ab. Da ist die Lilledu aus Oslo, deren Crew am Vorabend noch lange gefeiert hat. In ihrem Cockpit versammelten sich die Crews der Nachbarschiffe und sangen Lieder. Noch ist es frisch und das Wetter bedeckt. Ein norwegisches Paar frühstückt im Cockpit. Gegen den Wind gibt es ein Fell um die Schultern – ganz Wikingernachfahre.

Vom schweizer Boot schallt französich herüber. Dort hält man die Ausrüstung ganz spartanisch und spaziert im gelben Friesennerz übers Deck. Das Ölzeug sieht man heute im Zeitalter der Funktionskleidung kaum mehr. Im Fischereihafen legen die Kutter an. Gabelstapler fahren schneidig um die Ecken der Lagerhallen, so dass ich zurückspringen muss. Für Touristen hat man hier kein Auge. Das schnelle Gechäft mit der empfindlichen Frischware muss über die Bühne gehen. Männer in orangen Gummihosen sortieren Fisch. In einer anderen Halle wird filletiert. Mit Schwung landet der Abfall im Plastikcontainer und das Fischfillet in kleinen mit Eis bepackten Boxen. Die Auktionshalle wird benebelt. Es ist kalt hier drin und feucht. Bunte Plastikkisten mit Schollen, Lachs. Kabeljau, Steinbeisser, Hummern, Kaisergranat, Krebsen und weiteren mir unbekannten Fischen türmen sich farblich sortiert und jeweils ein oberster Fisch pro Kiste mit Barcode versehen.

Der Auktionator redet unablässig in auf und abschwellendem Tonfall. Ein junger Mann scannt bestimmte Kisten und schiebt sie weg. Männer mit Handy am Ohr und Notebook vor den Bauch geschnallt, begutachten die Ware hier und da. Eine Handvoll Touristen schauen zu. Ich bin erstaunt über die Menge Fisch, die hier wohl jeden Morgen und in vielen anderen Küstenorte täglich angelandet, verarbeitet und verkauft wird. Wie lage das wohl noch so weitergehen kann, frage ich mich? Es macht einen schon sehr nachdenklich und zeigt mal wieder, dass wir Ausbeuter der Natur sind und über die Verhältnisse leben. Aber wer will sich letztlich selbst zuerst einschränken? So geht es weiter!

Mittlerweile hat der Skipper unsere leere Gasflasche ausgebaut und ich ziehe die Flasche auf unserem kleinen Transportwagen zum Supermarkt. Hier hatten wir am Vortag nachgefragt, ob Campiggas verkauft wird. An der Kasse eine Teenagerin, die die Füllung abrechnet. Erst bezahlen dann die Ware. Sie fordert mich auf zu folgen und wir gehen durch das Supermarktlager, dass nicht zu den saubersten gehört, zum Hinterausgang. Sie schliesst umständlich das Gitter des Flaschenlagers auf, um schliesslich feszustellen, dass alle Flaschen leer sind. Wortlos erfolgt die Auszahlung des Betrages. Auf meine Frage, wann die nächste Gaslieferung kommt, nur Schulterzucken, bevor sie sich um Tratsch mit einer anderen Aushilfe umdreht. Also dackele ich mit unserer Flasche wieder zurück. Dabei entdecke ich am Hafen zufällig eine Infotafel über Strandbys Rolle im WW2:

Am 9. April 1940 kommen deutsche Soldaten in Strandby an und besetzen den Ort. Sie haben Maschinengewehre. Der Hafen wird gesperrt. Da die Bevölkerung von Strandby in erster Linie vom Fischfang lebt, beginnen die Fischer vom Strand aus zu Fischen. Die deutsche Soldaten kaufen den Fisch. An Strandbys Nordstrand bauen die Deutschen drei Bunker und sperren die Umgebung. Am Südstrand entstehen  Kasernen. Die Schule wird besetzt, aber der Schulbetrieb geht tagsüber weiter. Fischer betätigen sich auch als Schmuggler als Teil der Widerstandsbewegung und transportieren Sprengstoff von England. Zwischen Skagen und Fredrikshavn liegt ein grosses Minenfeld. Sechs Fischkutter aus Strandby verunglücken durch die Minen. Sie haben Minen beim Fischen in ihren Netzen die dann explodieren. Acht Fischer kommen während des Krieges um Leben.

Über genau dieses Gebiet sind wir beim Anlaufen von Strandby auch gesegelt, das Hertha Flak. Wer weiss was dort unten noch alles liegt. Wir sind jedenfalls heil angekommen. In Kroatien beispielsweise kann das Ankern heute noch mancherorts sehr gefährlich sein aufgrund der Kriegsmaterialien die im Balkankrieg in den 90er Jahren im Meer versunken sind.  Nach drei Tagen in Strandby soll es morgen weitergehen. Am Nachmittag gehen wir nochmal zum Supermarkt einkaufen. Jetzt bedienen zwei Jungs. Die sind wohl kompetenter. Wir fragen nochmal nach dem Gas, meint Axel. Der junge Mann antwortet: Kein Problem, wir füllen hier die Flaschen selbst auf. Wir sind skeptisch und bitten ihn bevor wir wieder mit unserer Gasflasche antanzen zu prüfen, ob wirklich Campinggas befüllt werden kann. Nach einigen Minuten kommt er zurüvk. Fehlanzeige, auch er hat sich geirrt, es sind andere Flaschen. Wir geben endgültig auf in Strandby Gas zu bekommen.

Am nächsten Morgen verschlafen wir, aber egal es ist immer noch früh genug für die 60 Seemeilen, die heute anstehen. Dafür haben wir nochmal Brötchen am Bug. Jeder Gastsegler erhält vom Hafenpersonal am Morgen eine Tüte mit vier Brötchen an den Bugkorb gehangen.

Eine nette Geste und sie schmecken auch lecker.

Strandby Marina