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Wieder ein herrlicher Sommertag. Die Stadt erwacht schon früh. Per Skatboard, Rollerskates mit Skistöcken oder Fahrrad eilen die Leute Richtung Stadt auf der vom stark fliessenden Autoverkehr getrennten Fahrrad und Fussgängerstrecke. Wir werden uns später einreihen. 

Vigelandsäule im Frognerpark Oslo

Noch sind wir müde, trödeln rum, machen Kaffee und Axel geht erstmal joggen. In der kurzen Hochsommerzeit wird hier die Nacht zum Tag. Selbst um Mitternacht kommt keine Müdigkeit auf, da es noch taghell ist. Am Mitttag starten wir Richtung Königspalast. Das Viertel Uranienborg mit viele herrschaftlichen Villen erinnert im Baustil stark an Hamburg Eppendorf oder Berlin Charlottenburg.

„ Schau mal, hier sieht es aus wie am Mittelweg in Hamburg. Da hätten wir gar nicht so weit segeln brauchen, um das zu sehen.“ An der rückwärtigen Seite des Königspalastes, der heute noch von König Hakon, seiner Frau Mette und den Kindern bewohnt wird, steht ein Wachsoldat in fescher Uniform. Wir radeln durch den Park und sehen eine Menschenmenge. Grade kommen wir zufällig zum zermoniellen Wachwechsel, der mit viel Tam Tam, Musikkorps, berittener Garde und akurat frisierten hochgewachsenen jungen Gardesoldaten feierlich einmarschiert.

Das Schloss selbst ist schlicht und weder die Garde noch das Gebäude besitzen die Grandeur des britischen Königshauses. Der Klatschpresse entnehmen wir, dass sich das norwegische Königspaar bewusst volksnah gibt und auch schonmal zu Fuss oder per Fahrrad das Schloss verlassen würde. Die Masse Touristen bewegt sich mit Kameras bewaffnet wie eine Meute Jagdhunde hin und her, um den besten Blickwinkel zu ergattern. Ein asiatischer Kreuzfahrer spricht mich an: „ What is going on?“ Ich erkläre ihm die Lage. Er scheint nicht beeindruckt und wirkt müde. Auf meine Frage welchen Hafen sie weiter anlaufen, stammelt er: Aker… something like that.“ Die Reizüberflutung scheint hier ihre Auswirkungen zu haben. Jeden Tag in einem anderen Hafen, vielleicht noch in einem anderen Land. Da kann die Orientierung schon einmal verloren gehen. Über die Viertel Hegdehausen und Majorstuva geht es Richtung Frognerpark. Wir sehen viel Jugendstil an den Fassaden.

Restaurantsund Cafes, die gut besucht sind, wechseln sich mit Geschäften ab. Es ist Ausverkauf und besonders voll sind Schuhgeschäfte. Dann geht es über einen grossen Friedhof, der am Rand mit Gräbern niederländischer Kriegsopfer versehen ist. Erschreckend jung sind die Männer gefallen, knapp 20 Jahre jung waren etliche erst. An einigen Gräbern stecken kleine niederländische Flaggen und ein Strauss Holz-Tulpen in den blau-weiss-roten Nationalfarben. Im weitläufigen Frognerpark, der mit altem Baumbestand grosszügig mit einer breiten offenen Mittelachse, die das Königsschloss von weitem sichtbar werden lässt, angelegt wurde, befinden sich Stein- und Bronzeskulpturen des norwegischen Bildhauers Gustav Vigeland (1869-1943). Herausragend ist ein aufgestellter Monolith, der auf 17 Metern Höhe 121 Figuren, die ineinander verschlungen sind, zeigt. 1922 wurde der gewaltige 600 Tonnen schwere Granitblock aus einem Berg gesprengt, der bei Halden im Iddefjord liegt. Ohne einen Kran zur Verladung zu benutzen wurde der Granit-Rohling auf zwei Flössen nach Bestumkilen verschifft. Im Steinbruch am Iddefjord arbeiteten bis zu 2000 Mann. Die Steine wurden ab 1870 exportiert. So liegen Pflastersteine aus dem Granit vom Iddefjord auf Wegen in Buenos Aires und Havanna. 

Die Idee Vigelands zu den aufstrebenden Figuren, die eine Einheit als Säule bilden, kam ihm im Jahr 1919. Die Vorstellung wurde für ihn zu einer Obsession. 1926 wurde seine Idee in die Tat umgesetzt.

Mit vielen anderen Touristen bestaunen wir die aus Stein gehauenen menschlichen Körper. Da gibt es Götterfiguren, Kinder, Greise, sich liebkosende Paare, Männer in Sieger- und Kampfposen, Frauen schützend über Kinder gebeugt. Auch die Bronzefiguren erzählen viele Geschichten. Das Mädchen mit Einhorn, der Kinderreigen, ein Fischer, herkulisch stemmende Männer und so fort. Jede Ader, jeder Muskel, jeder Gesichtsausdruck ist in Detailtreue und Naturalität so ausgeprägt, dass man meinen könnte gleich werden die Gestalten lebendig.

Wir picknicken auf einer Bank am Brunnen und beobachten eine Weile die fotografierenden Touristen. Auf dem Rückweg wird noch eingekauft bei MENY. Am Abend gibt es neue Kartoffeln, Brokkoli und Kabeljaufilet, zum Nachtisch endlich mal nach Erdbeeren (und nicht nach Gurken) schmeckende Erdbeeren für den Skipper. Müde vom ausgefüllten Tag klettern wir in die Koje nicht ohne vorher alles abzudunkeln, denn die Sonne strahlt noch mit Kraft.