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Wer die norwegische Küste kleinräumig erkunden will, sollte die Tagestörns vorab durchplanen. Denn viele Brücken und Stromkabel haben eine Maximalhöhe von 10 Metern. Die Südküste und der Oslofjord, besonders im unteren Bereich ist zudem von sehr viele Untiefen durchsetzt.

So ist der kürzeste Weg nicht immer der sicherste. Daher ergibt unsere Recherche, dass wir unser ursprüngliches Ziel Fredrikstad auslassen werden. Fredrikstad kann von zwei Seiten angelaufen werden. Da wir uns östlich des Zieles befinden und vorgelagerte Inseln durch Brücken verbunden sind, die für uns zu niedrig sind, gab es nur die Option Fredrikstad über den Fluss Glomma von Osten anzufahren. Nachdem wir jedoch erfahren haben, dass die Glomma einer der grössten Ströme Norwegens ist und oberhalb bei Sarpsborg  der Wasserfall Sarpsfossen als Niagara des Nordens bezeichnet wird, hat uns das zum Umdenken veranlasst. Im Fluss soll man mit bis zu 5 Knoten Strömung rechnen müssen. Gut dass wir dies rechtzeitig erfahren haben. Der Sarpsfossen ist der wasserreichste Wasserfall Europas und schiesst 577 Kubikmeter Wasser pro Sekunde raus. Der Rheinfall von Schaffhausen im Vergleich dazu eine durchschnittliche Wassermenge von 373 Kubikmetern pro Sekunde. Drei Wasserwerke mit einer Gesamtkapazität von 142 Mwgawatt ziehen den energetischen Nutzen daraus.

Die aktuelle Wetterprognose veranlasst uns schliesslich, gleich weiter zu verholen in den geschützteren nördlicheren Bereich den Oslofjordes nach Moss.

Nach  37 Seemeilen schön aussen herum um die Inselgruppe Hvaler erreichen wir am späten Nachmittag den Verkehrsknotenpunkt Moss. Hier landen die Fähren vom Westufer des Oslofjords an und einiges an Fernverkehr nimmt diese Abkürzung auf dem Weg nach Süden. In 30 min ist man mit dem Auto in Oslo und in 6 Stunden in Kopenhagen. Im 60 km Umkreis von Moss leben 1,8 Mio Menschen.  Der Gästehafen befindet sich direkt neben den Abfertigungsanlagen der Fähren in einem Kanal, der zwischen der Insel Jeloya und dem Festland liegt. Mittlerweile hat der Wind merklich aufgefrischt. Gegen Abend weht bei strahlendem Sonnenschein die „Solgangsbrise“.

Im Kanal steht 1 bis 2 Knoten Strömung. Mit Schwung kommen wir vor einem Katamaran an die Pier. Ein Alter kommt angelaufen und deutet an, nah an das Ungetüm aufzuschliessen. Wir reagieren nicht, denn dort sind gar keine Festmacher und wir wollen sicher liegen. Ausserdem haben wir nur 2-3 Meter Abstand zum Kat und wollem ihm die Möglichkeit geben, in der Strömung sicher abzulegen. Meckerig verzieht sich der selbsternannte Hafenmeister wieder zu seinem kleinen Motorboot. Beim nächsten Gast das gleiche Spiel. Dieser soll sich ganz knapp vor unseren Bug legen was er auch macht. Der Skipper hat sich schon eine schöne Laufstrecke über die Insel Jeloya herausgesucht uns sprintet los. Ich verschaffe mir einen ersten Eindruck von der Stadt. Jenseits der Brücke, die wir leider nicht passieren können, da sie nicht für Sportboote geöffnet wird, liegt man etwas gemütlicher. Es herrscht reger Sportbootbetrieb. Ein Kommen und Gehen. Auch bei uns fahren hauptsächlich Motorboote vorbei. Es ist wie auf dem Standstreifen neben einer Autobahn. Wohmobile haben gute Plätze mit Blick über die langezogene Bucht und Supermärkte, Einkaufszentren, Restaurants sind fussläufig erreichbar. Der REMA1000 Supermarkt liegt sogar direkt am Bootsanleger, so dass man aus dem Einkaufswagen das Boot beladen kann. 

Moss hat einiges zu bieten, besonders für seine Einwohner. Eine wunderschöne Natur zur Naherholung. Strandbad, Eislaufbahn, Stadion, ein grosser Kinderspielplatz mit neuestem Gerät, Kunstgalerien und Museen. Dreissig Kindergärten, Schulen mit Internationaler Schule, American College of  Norway, Rudolf Steiner Schule und Campus, Ferienclub, 60 Vereine für beispielsweise Fussball, Handball, Schwimmen, Turnen, Segeln, Reiten, Kampfsport, Eishockey.  Bis ins kleinste Detail wird der Bürger hier mit Service an jeder Ecke verwöhnt. Boxen mit Werkzeug zur Reparatur für Bike, Kinderwagen oder Rollstuhl; öffentliche Toiletten per Handy App bezahlbar (Nutzung auf 20 min begrenzt, wird man belehrt).  Dazu noch ein grosses Aktivitätsprogramm.  

Ein Blick auf´s weiter Wetter zeigt, dass wir hier wohl noch einen Tag dran hängen werden. Wind und Welle könnte genau in den Kanal hereinstehen. Die norwegische Rettungsgesellschaft hat am inneren Ende des Piers einen Kreuzer stationiert. Axel kommt mit der Mannschaft ins Gespräch und sie meinen, dass wir weiter innen ruhiger liegen werden. Gesagt getan, wir verholen. Das erweist sich später als gut, denn die Schiffe an den Aussenplätzen in der Mündung tanzen ganz schön. Wir vertäuen mit Ruckfendern, zurren alles fest und ziehen die Kuchenbude auf. Im Rigg pfeifft es, Schauerböen ziehen durch während wir gemütlich zu Abend essen. Parallel dazu habe ich die Wäsche eingesetzt. Vom Vorbenutzer liegt noch Wäsche drin, ist aber fertig. Alles in schwarz inkl. Schlägerkappe mit Metallverzierungen drauf, T-Shirts mit runenartigen Lettern. Sieht nach Rockerzeug aus. Ich mache schnell, denn den Besitzer dieser Wäsche möchte ich nicht zu Gesicht bekommen, wenn er bemerkt, dass ich seine Klamotten raus genommen habe.  Ansonsten liefert die nagelneue AEG Maschine ein vorzügliches Resultat. Nachts rauscht plötzlich das Wasser als wären wir im Orinoco. Ich bin sofort wach, denn an Bord bin ich darauf gepolt, auf jede veränderte Bewegung des Schiffe zu reagieren. Durch das Seitenfenster bemerke ich die Strömung. Jetzt läuft sie seewärts, aber mit erhöhter Geschwindigkeit. Am Rumpf braust es richtig.  Jetzt wäre an Ablegen nicht zu denken. Die Stellschieber des Flusszulaufes wurden also verändert.

Hier sollte man darauf eingerichtet sein, dass sich Wasserstände und Strömungsverhältnisse in Richtung uns Stärke abrupt ändern können. Mit der Wasserkraft wird zur Stromerzeugung gearbeitet und Regulierungen werden von irgendwo gesteuert. Glücklicherweise sind wir mit vielen Fendern und Springleinen optimal vertäut und haben an diesem Platz ausreichend Abstand zum Vorder- und Hinterschiff.