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Zweimal lang, zweimal kurz. Wenig später nach unserem Schallsignal hebt sich die Klappbrücke über dem Sotenkanal.

Schwingbrücke über den Sotenkanal

Gemeinsam mit der Segelyacht unserer Freunde und einem kleinen Motorboot, dass sich noch an der engsten Stelle an uns vorbei pressen muss (m dann doch die alte Geschwindigkeit beizubehalten), passieren wir die letzten Seemeilen dieser kurzen Binnenpassage. Der 1935 erbaute Sotenkanal kürzt die insbesondere bei stürmischem Wetter und auflandigen Westwindlagen gefährliche Passage um die Schären ab. Am Kanalufer geht es beschaulich zu.

Ein Fischotter schwimmt zum Ufer, ein Kälbchen trinkt am Euter der Mutterkuh, die im Wasser steht. Gras wiegt sich im Wind und eine Frau hängt Wäsche auf. Die Welt „Bullerbü“ hier ist sie. Ein Vorgeschmack auf das was uns in Hunnebostrand erwartet. Die weisse Holzhäuschen strahlen in der Sonne um die Wette. Rosen blühen und umrahmen die Sprossenfenster. Mal gelb, lachsfarben oder tiefrot stehen sie in voller Blüte. Fallunrote Fischschuppen umrahmen den Hafen. Sie stehen auf Pfählen im Wasser. Hunnebostrand wird für uns und viele Segler ein guter Schutzhafen sein, um die angekündigte Starkwindphase abzuwarten. Mann kann sich keinen besseren Platz vorstellen, denn sobald wir den Fuss an Land gesetzt haben, erfasst uns die Magie dieses Ortes. Die Zeit scheint still zu stehen. Ein alter Mann säubert einen Fisch und wirft den Möwen die Abfälle zu. Die Seevögel machen sich gierig mit lautem Geschrei über die Reste her. Wir erklimmen die Felshügel und geniessen die atemberaubende Aussicht.

Hunnebostrand von oben

Eine Yogagruppe trifft sich jeden Morgen an der gleiche Stelle am Steg und hält mit geschlossenen Augen in den Übungen inne. Axel geht joggen und ich absolviere auf der Schäre Gransö meine Gymnastik. Anschliessend kühle ich mich im Wasser ab. Ein schnelles Eintauchen und Platschen. Danach fühlt man sich wie neu geboren. Die Ruhe und natürliche Umgebung zaubern auf jedes Gesicht ein Lächeln. Ich habe die Badestelle für mich, denn die Schweden hier sind Frühaufsteher und kommen mir schon im Bademantel mit Wasserperle auf der Haut entgegen.

Die Felsen sind glattgeschliffen. Wie runde Buckel ragen sie aus dem Wasser. Etwas flattert im Wind. Es sind die Seiten eines Buches, die sich umblättern. Ich klettere um einen Felseinschnitt herum. Schiebe mich an einer senkrechten Felswand herunter und endlich habe ich das kleine Plateau erreicht. Ich drehe das Buch um.

Es ist die schwedische Ausgabe `Alchimisten` von Paulo Coelho. Vorne ist eine Widmung: „ Mama, grattis pa Fidelsedagen, en fin bok, til dig“ und eine unleserliche Unterschrift.  Ich schaue auf und hänge meinen Gedanken nach. Es ist ein besonderer Moment der Stille. Alleine und fern von der eigenen Familie denke ich an meine Mama. Da ist ein Band der Unzertrennlichkeit egal wie gross die Entfernung auch ist. Ich deute den Fund als ein besonderes Zeichen für mich, denn Paulo Coelhos Botschaft ist: Finde Dein eigenes Schicksal. Wenn Du wirklich etwas willst, dann wird Dir die ganze Welt helfen es zu verwirklichen und Dein Traum geht in Erfüllung. Coelho schrieb das Buch 1987 in zwei Wochen. Es handelt von einem andalusischen Hirtenjungen, der einen wiederkehrenden Traum hat. Damit geht er zu einer Wahrsagerin, die ihm prophezeit, dass er bei den ägyptischen Pyramiden einen Schatz finden wird. Er begibt sich auf die Reise. Plötzlich regt sich etwas auf einem Fels weit im Wasser. Eine Möwe kämpft mit ihrer Beute. Sie hat einen Aal gefangen, der gut und gerne 30 bis 40 cm lang ist. Der Aal windet sich auf dem Fels. Die Möwe pickt zu und reisst ihn in die Luft, wirft ihn hoch und der Fisch landet in ihrem Schlund. Sie würgt und schluckt. Der halbe Aal hängt aus ihrem Schnabel. Endlich ist er vertilgt. Doch plötzlich gleitet der Fisch wieder heraus. Der Kampf beginnt erneut. Die Möwe siegt am Ende, hebt schnell ab und fliegt davon.