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So schön der Aufenthalt auf Norderney ist, der Segler wird unruhig und will weiter ziehen, speziell, wenn ein schwieriges Seestück voraus liegt. Die Tage werden merklich kürzer und die Dunkelheit setzt eher ein. Das Starten am Morgen bei Helligkeit verschiebt sich nach hinten.

Seenotkreuzer Anneliese Kramer vor Norderney

Keine guten Voraussetzungen, wenn die Tidenzeiten für eine günstige Reise mit mitlaufender Strömung dann auch nicht mehr mit dem Tagsichtfenster übereinstimmen. Angesichts der weiteren Wetterentwicklung müssen wir in Kauf nehmen, dass die alten Welle aus West noch mit Seegangsstärke 4-5 (mässig bewegte bis grobe See) auf das Dovetief steht. Der Tidenstand lässt ein Auslaufen frühestens um 10.30 Uhr zu. Wir bereiten alles vor und pünktlich verlassen wir den Hafen. Kaum runden wir die Ostseite Norderneys, geht der Tanz  los. Mit dem Gross Segel als Stützsegel arbeiten wir uns durch das Gat. Astarte holt weit über. Zur Vorsicht hatten wir uns vorher im Cockpitboden mit den Lifebelts eingepickt. Die „ Anneliese Kramer“ läuft parallel zu uns, als wollte sie uns seelische Unterstützung geben. Doch der 28 Meter lange Kreuzer schlingert mit einer Schlagseite von bis zu 20 Grad, so dass der Anblick eher beunruhigt. Wir sind froh als wir die Ansteuerung erreicht haben und im tieferen Wasser voll Tuch setzen können. Kaum ein Schiff ist zu sehen. Die friesischen Inseln ziehen eine nach der anderen vorbei. Querab der Jademündung die spontane Entscheidung nach Hooksiel einen neuen Kurs abzusetzen, da wir gerne im Hellen ankommen möchten. Doch die nach und nach gegensetzende Strömung wird verhindern, dass wir die letzte Schleuse noch rechtzeitig erreichen. Wir drehen ab und finden uns mit dem Gedanken ab, in die Elbmündung bei Dunkelheit einlaufen zu müssen. In der Ferne erstrahlt das Eisenkleid des Leuchturms Roter Sand im gleissenden Sonnenlicht weiss und rot. Die Nordsee beschert uns schliesslich einen traumhaften Tag mit unbeschreiblich schönen Eindrücken. Der Himmel zerfliesst förmlich in einem Farbenmeer. Die Ruhe und Einsamkeit allein mit den Geräuschen der Natur flössen Respekt ein, aber vermitteln auch ein Glücksgefühl, dass sich schwer in Worte fassen lässt. Das Meer und der Himmel haben auch etwas tröstliches, besänftigendes. Es ist als ob die Wellen flüstern: Du bist ein Teil von mir. Die Dunkelheit senkt sich wie eine Decke herab. Das helle Blau wechselt zu einem intensiven leuchtenden Blau und später blau-schwarz. Dieser stetigen Veränderung zuzuschauen ist beeindruckender auf der Weite der See als jede noch so effektvolle künstliche Show. Gegen 21.00 Uhr ist es völlig dunkel.

Der Wind hat auf SE Stärke 4 gedreht. Nordstrom setzt mit im Aussenbereich 1,7 später 3 kn in den Elbtrichter hinein. Motorbrummen und dunkle Umrisse an Backbord. Im sicheren Abstand passieren die Frachter. Ihre Positions- und Decksbeleuchtungen wandern an uns vorbei.

Wir hakten die Baken ab, halten uns zwischen Baken und Fahrwassertonnen ausserhalb des Hauptfahrwassers. Die Nacht ist sternenklar. Es funkelt und leuchtet. Die milde Luft riecht nach See. Ich sauge sie tief ein,  als ich nach oben blicke und spüre, dass unser Schutzengel sich mit diesem Naturschauspiel verabschiedet und uns zum glücklichen Abschluss eines gelungenen Sommertörns grüsst. Es ist eine besondere Fahrt, die in unvergesslicher Erinnerung bleiben wird.