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Hinter der Front ein Flautenloch. Wenigstens ist es trocken geblieben. Nachts piepst das Barometer: Gale warning. Stört uns nicht. Sicher im Hafen und gemütlich in der Koje liegen, kann es draussen jaulen. Mit leichter Nordströmung und einem Hauch von Wind sowie schliesslich dem Start des Motors erreichen wir Reersö auf Seeland.

Hafen Reersö auf Seeland

Die Halbinsel besticht durch landschaftliche Schönheit und einem historischen Dorfkern, dessen Charakter mit Höfen aus dem 18. Jhdt bis heute erhalten wurde. Der kleine Fischereihafen wurde um ein Becken für Sportboote erweitert. Nach dem Aufklarieren spazieren wir zum Ort. Es ist heiss und drückend. Aufgekratzt stapfe ich zügig an den hübschen mit üppiger Blumenpracht ausgestatteten Vorgärten vorbei.

Ich möchte die „halelose Katte“ (dänisch) zu deutsch schwanzlose Katze vor die Kameralinse bekommen. Sicher ist diese Geschichte nur ein Marketing Gag, um mehr Touristen auf die eigentlich abgelegene Halbinsel zu bringen. Ein Seemann soll von einer Reise nach England ein Exemplar der seltenen schwanzlosen Katzen, die ihren Ursprung auf der Isle of  Man haben, nach Reersö gebracht haben.  Doch dann springt eine graubraune Katze aus einem offenen Hausflur in den Garten und tatsächlich ist sie schwanzlos oder besser gesagt mit einem Stummelschwanz wie ein croupierter Hund bestückt. Bevor ich den Auslöser betätigen kann, ist sie auch schon im Gebüsch verschwunden. Im Dorf geht das alltägliche Leben in gemächlichen Tempo voran.

Eine Familie baut einen Zaun um ihr Haus. Der Mann schlägt Holzpflöcke ein, die seine Frau ihm anreicht. Die Kinder spielen. Woanders wird Rasen mit dem Aufsitzmäher geschnitten und vor dem Dorf Kro entlädt jemand Kisten und trägt sie herein. Wir kehren zum Hafen zurück. Hier zahlen wir am Kontor indem der passende Betrag in einen Briefumschlag gesteckt wird.

Kleine Fischkutter schaukeln gemächlich hin und her. Die Steuerhäuschen sind eng und klein. Sie tragen Namen wie „Fruen“ und „Himmelhunden“.

Es ist ein bischen so wie eine Zeitreise und man muss sich die Augen reiben und zwicken, ob man nicht durch eine höhere Macht wie auf Gullivers Reisen in einer anderen Welt gelandet ist. Dem ist nicht so wie ich an den top aktuellen Bikinis der Dorfjugend erkenne, die sich mittlerweile laut kreischend und schäkernd auf dem Aussensteg versammelt hat. Jungs rangeln mit Mädchen und werfen diese ins Wasser. Die nordischen Amazonen stören sich weder am mittlerweile kühlen Wind noch an dem kalten Wasser. Der kurze Sommer hier oben weckt Energien und Sehnsüchte, die sich in den langen Wintermonaten aufgestaut haben.