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Das ist Segelfreude pur. Genau der richtige Wind vom passenden Winkel in angenehmer Geschwindigkeit. Die Landschaft von Lolland mit dem sich weit öffnenden Nakskov Fjord zieht vorbei. Im Fernglas sehe ich die roten Dächer vereinzelter Gehöfe ansonsten sattes Grün hinter dem schmalen hell leuchtenden Band des weissen Uferstrandes.

Es ist eine Bilderbuchidylle und die Beschreibungen des Revieres Grosser Belt von Jan Werner aus „Segeln in Dänemark“  in denen ich grade lese , erzeugen bei mir ein ungläubiges Lächeln. Es steht unter anderem geschrieben: „ Zum Grossen Belt sollen nur Boote fahren, die seetüchtig sind. …dieses zugegeben nicht einfache, manchmal rauhe Gewässer..  Die Küsten des Grossen Belts bieten im Allgemeinen wenig Schutz. Bei Starkwind sollte man sie verlassen, erst recht solche vor einer Leeküste und einen Hafen aufsuchen.“ 

Querab des Fährhafens Tars kontrollieren wir zum dritten Mal die Situation des Hydraulikverlustes. Wie oft wir die Matratze nur heraus- und wieder zurückgehievt haben, zähle ich schon nicht mehr.

Axel plaziert Krepptücher unter die Stellen wo er die Undichtigkeit vermutet, damit uns eventuelle Tropfen die Leckagepunkte verraten. Ich kalkuliere, dass wir noch gute 5 bis 6 Stunden Helligkeit haben und sage:“ Lass uns durchziehen und nicht nach Spodsbjerg auf Langeland rein, bei den guten Bedingungen.“ Axel stimmt zu und so segeln wir weiter im Grossen Belt. Zwei Stunden später hat sich das Bild geändert. Der Wind hat zugelegt. Mit starker Krängung schiebt der Bootsrumpf durchs Wasser. Es rauscht und gurgelt. Als die Böjen mit 26 Knoten einfallen, entscheiden wir uns zu reffen, um den Ruderdruck zu verringern. Jetzt zeigt der Belt seine Zähne und ich muss Herrn Werner kleinlaut recht geben. Bald ist die Insel Omö erreicht. Die Regel, dass es in Lee der Insel etwas geschützter sein soll, bewahrheitet sich aktuell nicht.

Leuchtturm auf Omö

Mein leider verspäteter Blick auf das Barometer bestätigt den starken Druckabfall und die daraus folgende Luftbewegung. Der Übermut bekommt einen Dämpfer. Am Anfang eines Törns nach der langen Winterpause muss man sich erst wieder auf die täglichen Rituale einjustieren: der erste Blick am Morgen gilt dem Barometer! Vorsichtig tasten wir uns an die schmale Hafeneinfahrt von Omö heran. Es ist eng und die Boxen nur für kleinere Boote vorgesehen. Axel manövriert uns dennoch perfekt in die äusserste Box aus der wir hinten drei Meter herausragen. Wenige Minuten später hängt Astarte in einer trapezförmigen Leinenkonstruktion sicher fest. Als die einlaufende Fähre starkes Schraubenwasser erzeugt, wird das Hafenbecken zum Wildwasserfluss. Ein Charterboot aus Heiligenhafen mit Vierer Crew läuft ein. Die leichte Bavaria wird wie ein Spielzeug verdriftet. Fast landet sie auf der Steinmole. Der Skipper gibt Stoff. Anstatt sich möglichst entfernt von den Turbulenzen auf Warteposition zu begeben, scheint er die Strömung gar nicht registriert zu haben und versucht den Anleger ausgerechnet in unserer Nähe. Prompt wird der Rumpf versetzt und die falschen Gas- und Rudermanöver verursachen einen Beinah-Crash mit unserem Heck. Haarscharf geht es vorbei. Wir sahen schon vor unserem geistigen Auge den Aufprall und das riesige Loch. Unser Geschrei zeigt wenig Wirkung. Der Skipper beachtet uns gar nicht. Von einem Crewmitglied nur ein Achselzucken. Ich rufe: „Wo wollen Sie denn hin?“ Ein weiteres Achselzucken. Die Mannschaft steht hilflos an Deck. Inzwischen knallt die Bavaria auf der anderen Seite der Boxengasse gegen die Pfähle. Dann kommen sie endlich gegenüber fest. Bei uns tiefes Durchatmen.  Schliesslich platziere ich alles was wir an Fendern haben am Heck. Während man sich drüben an Bord unter Deck verzieht, sinnieren wir, dass die Reise für uns hier schon hätte enden können. Bei einem vermeintlichen ungebremsten Aufprall hätten wir einen grossen Schaden gehabt, vielleicht sogar Wasser gemacht.