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Das Wetter ist wechselhaft und die harten Böen durchschütteln das Rigg. Sonne, Regenschauer und Nebelbänke ziehen im schnellen Wechsel über uns hinweg. Eigentlich ist unser geplanter Aufenthalt in Helsinki beendet und wir wollen weiter, doch wie so oft bestimmen Windrichtung und Wetter die weitere Reiseplanung. Also verlängern wir beim Hafenmeister für drei Tage, denn in den Schären haben wir bei schlechtem Wetter weitaus weniger Zeitvertreib als in dieser Metropole der unbegrenzten Möglichkeiten.
Mittlerweile freuen wir uns schon nach dem Frühstück auf das leckere Essen im Stockmann. Unsere Mägen haben sich auf den neuen Rhythmus des sich verwöhnen lassens sehr schnell umgestellt. Lebensmittel sind nach wie vor in Finnland etwas teurer (ca. 30%) so dass das Kochen an Bord auch nicht viel günstiger ist als Essen zu gehen. Allerdings muss man wissen wo. Restaurant heisst in Finnland Ravintola und es gibt eine grosse Anzahl mit verschiedensten Ausrichtungen in alles Preisklassen. Darunter natürlich viele Touristenfallen, die einem wie in anderen Hotspots auch für mittlere Qualität tief in die Tasche greifen. Am Senatsplatz zahlt man beispielsweise für eine Pizza ca EUR 24,-
Doch es lassen sich auf gute Restaurants zu normalen Preisen finden. Wer mag kann hervorragend russisch essen gehen mit Gerichten aus der Ukraine oder Georgien, lappländische Küche mit Rentier- und Bärengerichten im Saaga, Savu, Laapi, oder Savotta geniessen, Fischgerichte im Saari (auf unserer Insel), Meripaviljonki oder im Kuu probieren. Internationale Küche, Mexikaner, Nepalese, chinesisch, Burger gibt es nahezu an jeder Ecke und in den vielen Einkaufszentren und Passagen, so dass man sich wirklich alle paar Meter fallen lassen kann und eher die Qual der Wahl hat.

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Wir haben heute keinen besonderen Programmpunkt, sondern schlendern im Zickzack Richtung Zentrum. Wie immer kommen wir durch das Jugendstilviertel Eira zum Zentrum. Eira gilt auch als Helsinkis Design Distrikt. Das Herzstück zwischen den vielen Boutiquen, Galerien, Läden mit Mode, Möbeln, Accessoires, In-Kneipen,Clubs und Frisören bilden das Designmuseum und das Design Forum. Wird im Museum die Entwicklung des finnischen Industrie- und Wohndesigns dokumentiert, so zeigt das Forum klassische und moderne avantgardistische Design-Stücke, die man auch gleich vor Ort kaufen kann. Wir kommen zu dem Schluss, dass das ganze Geschirr, Vasen, Mülleimer bis zu grossen Hunden aus Kunststoff Zeug zwar bunt, witzig oder elegant aussieht, aber für den Reisenden doch nur zur abzustaubenden Belastung wird, die schlussendlich in irgendeiner Kiste auf dem Speicher landet.
Wenn schon im Kaufrausch, dann etwas sinnvolles. Eine sehr leichte gut zu verstauende Regenjacke könnte ich noch gebrauchen. Bald entdecke ich eine praktische Ausführung meiner bevorzugten Marke Rukka. die Jacke passt, aber ich hasse schwarz. Andere Farben gibt es nicht, also bleibt die Jacke auf dem Ständer. Die finnische Schmuck-, Mode-und Gebrauchsgegenstände Industrie hat einige besondere Designer wie Aiino, Aarikka, artek, iittala, Lapponia und Marimekko. Die bunten Stoffdesigns von Marimekko sind ideenreich in Themenauswahl und Farbgestaltung. Die puristischen Schnitte sind mit Nashornprint oder graphischen Mustern verziert. Ein Blick auf die Preisschilder lässt mich schnell zu kleineren Produkten wie Kissen oder Portemonnaies wandern. Doch auch hier sind die Preise saftig. Na ja, schauen ist auch schön. Unsere Ausbeute: für mich ein Paar sehr schöne handgefertigte Lederboots aus einer schwedischen Manufaktur. Wir belohnen uns nach dem Shopping mit einem saftigen Stück Himbeerkuchen und einer grossen Tasse Cafe Latte im Cafe Fazer. Beides jeweils EUR 6,-. Das würde man in München auch bezahlen.
Nach der Rast geht es noch schnell zur Post Briefmarken kaufen. Wir landen erst in einem sehr grossen Fotogeschäft mit angegliederten Cafe und Kameramuseum. Ein super gestalteter Laden durch den man zum Eingang der Post gelangt. Das System mit Nummern ziehen ist sehr effizient, so dass man trotz grossen Andrang schnell abgefertigt wird. Per Zufall entdecken wir noch eine Sehenswürdigkeit, die im Gedränge um den Hauptbahnhof und die umliegenden Einkaufszentren leicht zu übersehen ist.
Kampin Kappeli (finnisch) oder Kamppi Chapel. Auf 352 Quadratmetern wurde 2012 im Rahmen des Projektes Helsinki World Design Capital die 11,5 Meter hohe Kapelle an einem der belebtesten Orte Helsinkis eröffnet, um einen Ort des Innehaltens, der Ruhe und Begegnung zu schaffen. Dies ist den Architekten Kimmo Lintula, Niko Sirola und Mikko Summanen vom Büro K2S Architects mit ihrer innovativen Holzkonstruktion gelungen. Das Auge gleitet über die eliptische Aussenhülle aus Fichtenholz, das mit einem speziellen Wachs aus dem Bereich der Nanotechnologie beschichtet wurde. Die Innenwände bestehen aus Erlenholz, Einrichtung und Türen aus Eschenholz. Eine Isolation mit Gipstafeln sorgt für absolute Ruhe im Inneren. So ist es ein besonderes Erlebnis nach dem Eintreten die laute Aussenwelt mit Verkehrslärm und Stimmengewirr komplett hinter sich zu lassen.
Man kommt sich vor wie in einer schallisolierten Wabe. Gottesdienste werden hier nicht abgehalten. Stattdessen stehen Mitarbeiter der Kirche und vom Sozial- und Gesundheitsamt der Stadt Helsinki in der Lobby als Ansprechpartner zur Verfügung. Die Gespräche bleiben anonym. Sicherlich eine gute Einrichtung, denn die vielen dunklen Winterstunden sollen ja auf das Gemüt schlagen.
Wir machen und auf dem Rückweg. Am Abend unternehmen wir einen kleinen Bummel an unserer Hafenpromenade und sehen wieder einmal wie jeden Tag die Schlangen an den Buden für Eisverkauf. Die Preise sind eigentlich Wucher, aber einmal wollen wir probieren. Ist alles gut was teuer ist? Oder doch nicht? Blonde, hübsche, junge Eisverkäuferinnen pressen grosse Ballen in die Waffel. Die meisten Kunden nehmen gleich zwei oder drei Kugeln, jonglieren und kämpfen mit der Eismasse. Die grellen Farben hätten eigentlich schon Warnung genug sein müssen. Das klebrige Zeug rinnt kaum die Kehle runter. Ein pelziger Geschmack legt sich auf die Mundschleimhäute. Nur die Kälte erleichtert es diese Klösse nieder zu kämpfen. Unser Resümee:

einmal und nie wieder.

Da können wir auch an Bord einen Fender klein hechseln, Zucker unterheben, Farbstoff zufügen und fertig ist das Kunst-Eis.

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