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Monets Blickfang der Zaansschen Molen

Zweige knacken, es raschelt. Aus der Ferne hört man das Kreischen der Brüllaffen. Die Luft ist schwer und feucht. Moskitos surren agressiv und starten ihre Angriffe auf das Netz unter dem sie ihre Beute riechen. Die Zelte stehen auf einer schmalen Lichtung im schier undurchdringlichen Regenwald. Ich liege mit voller Montur auf der recht harten Campingmatratze im Dämmerschlaf als mir der süsslich Geruch von Schokolade in die Nase steigt.

Die Kakaoplantage ist nicht weit. Als wir uns gestern den Weg hierher gebahnt haben, sah ich eine Vogelspinne. Widerlich die behaarten Beine und grösser als ich dachte. Alles nur geträumt stelle ich erleichtert fest, als ich die Augen aufschlage. Wie komme ich auf die Vogelspinne? Ach ja, da hatte ich ja eine im Trödelladen in Amsterdam gesehen, hübsch präpariert in einem Kasten. Ich liege gemütlich in der Koje und durch das offene Seitenfenster wabbert der süssliche Duft, wird intensiver als grade ein Schlepper tuckernd mit einigen aneinander gereihten Schuten vorbeifährt, die mit grossen Metallbehältern bestückt sind.

Kakaotransport

Einer der vielen Kakaotransporte, die hier zwischen den Betrieben hin- und herfahren. Die ganze Gegend ist überdeckt mit dem intensiven Geruch des Genussmittels. Siebzig Prozent des Kakaos kommen aus Westafrika, Ghana und der Elfenbeinküste. Dort wird er in der Regel von Kleinbauern manuell geernet. Der Preisdruck, Ernteausfälle durch Klimawandel führen zu Kinderarbeit, Ausbeutung, unkontrolliertem Einsatz von Pestiziden, Rodung wertvollen Regenwaldes. Greenpeace bringt die Problematik mit dem Satz: „ Wir essen den Regenwald auf“ auf den Punkt. Nach meinen Recherchen zu diesem Thema, beschliesse ich den Konsum weiter einzuschränken.

Bereits am frühen Morgen starten wir  mit den Rädern von unserem Liegeplatz in Wormerveer zur Zaansen Schans. Läden werden aufgeschlossen, Müll abgeholt, Pendler sind auf dem Weg zur Arbeit. Ein neuer Tag startet. Vorbei an historischen Industrieanlagen, die in moderne neue Betriebe integriert wurden, erreichen wir das Freilichtmuseum Zaanse Schans.  Schokoladen- und Keksfabrik im Zaans Museumvom Beginn des 20. Jhdts mit Originalmaschinen, Weberhaus, Küferei Jisperhütte mit Darstellung eines historischen Haushaltes warten auf die Besucher. Es bleibt uns grade noch eine Viertelstunde die Atmosphäre der alten Mühlen und Gebäude aus dem  17 Jhdt. nahezu alleine zu geniessen. Auf dem in einiger Entfernung liegenden Parkplatz rollen schon die Reisebusse heran und eine Schar von Touristen steigt aus. Im Gänsemarsch ziehen sie Richtung Fluss wie eine Flutwelle, die uns entgegenrollt.

Neben Sägemühlen gab es auch Papier-, Gewürz-, und Kornmühlen

„De Zaanstreek“ gehörte in der damaligen Zeit zu einem der ältesten  Industriegebiete Europas. Der Einsatz von Sägemühlen ermöglichte den Holländern den schnelleren Bau von Schiffen und im Wettstreit mit England um die Vormachtstellung auf See und in den Kolonien brachte dies entscheidende Vorteile. Im Jahr 1630 standen 53 von 83 Sägemühlen am Zaanstreek. In der ersten Hälfte des 18. Jhdts bauten die Amsterdamer und Zaanser Werften jährlich 500 grosse Schiffe aus dem Holz, das die Sägemühlen lieferten. Nach der Erfindung der Dampfmaschinen werden die Sägemühlen durch Fabriken ersetzt. Heute verrichten die Mühlen immer noch ihrem Dienst als attraktives Fotomotiv für Touristen aus aller Welt. Das stellen wir schnell fest als wir im Nu von ganzen Trauben von Menschen umringt sind.

Jeder will sein Foto mit Mühlenhintergrund schiessen, so auch wir. Portugiesisch, spanisch, chinesisch oder japanisch sind zu hören. Und immer wieder drängen neue Gruppen nach. Zeit für uns das Weite zu suchen. Hier wörtlich zu nehmen, indem wir in die weite flache Landschaft der umliegenden Felder radeln und schon nach fünf Minuten sind ist es einsam und ruhig. So fand vermutlich Claude Monet 1871 die Zaan Region vor, als er vom Farbenspiel des Himmels und Wassers inspiriert hier 25 Bilder malte.

Zaanufer bei Schans

Gehöfte, Stichkanäle mit alten Kähnen und Feuchtwiesen liegen am Weg. Wir geniessen die ländlichen Eindrücke.

Räder verstauen, Instrumente an, Maschine starten und schon sind wir wieder auf dem Kanal Richtung Norden unterwegs. Der Sportbootverkehr hält sich hier stark im Rahmen. Vereinzelt kommt ein Motorboot entgegen. Die Segler auf der gesamten Strecke können wir an einer Hand abzählen. Nur drei Brücken heute. Die „auf Abstand Bedienung“ funktioniert problemlos. Bei Annäherung schaltet das Verkehssignal auf rot/grün, etwas warten, es bimmelt zur Warnung für den Strassenverkehr, die Schranken gehen runter und die Brücke bewegt sich nach oben. Signal grün für uns, wenn sie vertikal steht bei Klappbrücken. Es gibt auch Drehbrücken oder Systeme, die sich ineinanderfalten. Nachdem wir Wormerveer hinter uns gelassen haben, gibt es nur noch vereinzelte Dörfer am Fluss. Die Zaan windet sich durch eine Wiesenlandschaft. Die Ufer sind mit Schilf gesäumt. Graureiher stehen wie angewurzelt am Flussufer den geschärften Blick aufs Wasser, immer bereit zuzustossen, wenn sich Beute nähert. Haubentaucher krächzen, ab und zu segelt eine Möwe im Tiefflug vorbei. Kühe und Pferde weiden, Moderne Windräder lösen die Mühlen ab. Die Sonne scheint, Idylle pur. Skutjes mit Segellehrlingen kreuzen und versuchen den leichten Windhauch einzufangen. Die Zaan mündet im Alkmaarder Meer. Eine flache Wasserlandschaft mit Buchten, Seitenarmen und abgehenden Kanälen, ein Eldorado für flachgehende Boote. Wir halten uns im Fahrwasser. Die Anlegemöglichkeiten mit unserem Tiefgang sind begrenzt. Nach einem kurzen Anruf bei der Segelvereinigung Akersloot steht fest: Ein Platz am Aussensteg in der Hafeneinfahrt sollte grade passen. Viel Manövrierraum bleibt nicht, aber der Platz bietet eine traumhafte Aussicht in die Ferne.