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Der landseitige Ausgang des Hafens mündet direkt an einen Supermarktparkplatz. Ideal um unsere Vorräte aufzustocken. Unser kleiner zusammenklappbarer Transportwagen erweist sich wieder einmal als grosse Hilfe, die schweren Getränkegebinde mühelos zum Schiff zu transportieren.

Mit der fussläufig guten Erreichbarkeit der über das Ij direkt zum Hauptbahnhof übersetzenden Fussgänger- und Fahrradfähren ist dieser Hafen der ideale zentrumsnahe Ausgangspunkt für die nächsten Tage, die quirlige Metropole zu erkunden.

Noch am Ankunftstag geht es durch die Einkaufspassage des modernisierten Hauptbahnhofs zur Innenstadt.

Für die einen ist Amsterdam eine Partymeile, Hort der Aussteiger, Künstler, Beschaffungsquelle für frei verkäufliche Rauschmittel, Sündenpfuhl im Rotlichviertel – und das schon seit dem 14. Jhdt – für die anderen internationales Drehkreuz zu Wasser und in der Luft mit dem Flughafen Schiphol und den grossen Hafenanlagen mit Kreuzfahrtterminal, Sitz  weltberühmten niederländischer Kunst mit Werken von Rembrandt, Vermeer, Handelsplatz für Diamanten, man könnte die Liste fortsetzen. Die vielfältigen Blickwinkel der Menschen auf diese Stadt der 600 Brücken versucht das Stadtmarketing mit dem aktuellen Spruch, der auf Tassen, Taschen, Schirmen, T-Shirts und anderen Souvenirs landet I AMSTERDAM zu fassen. Jedenfalls sind die Caps und T-Shirts bei asiatischen Touristen beliebt, die wir immer wieder in selbigen sehen.

Eine erste Erkundungstour führt uns über Zeedijk, durch das Chinesenviertel zum Royal Palais und der Nieuwe Kerk. Der Touristenrummel ist gewaltig. Man muss Spalier laufen zwischen Bier trinkenden Gruppen, die vor Kneipen stehen, heranrasenden Radfahren und fotografierenden Asiaten, nicht zu vergessen die Gruppen, deren Mitglieder im Gänsemarsch hinter dem Regenschirm oder Holztulpe hochhaltenden Guide herlaufen. Lärm, fremdartige Gerüche und das Gedränge ermüden uns. Wir sind hungrig und landen prompt in einer Touristenfalle.  Das Aufgetischte ist eine Zumutung und nachdem ich auch noch ein schwarzes Haar in meinem Essen finde, ist der Appetit gänzlich versiegt.

Nichts wie raus und zurück an Bord. Die morgige Tag muss besser geplant werden, beschliesse ich. Doch das Touristenbüro ist spärlich bestückt.  Grachtenfahrt, Heineken Bier Expirience, A´DAM look out (hier schwebt man über einem Drehrestaurant auf der Aussichtsplattform des ehemaligen Shellgebäudes in schwindelnder Höhe im Sitz einer über den Rand ausfahrbaren Schaukel über dem Ufer des Ij; nichts für jemanden mit Höhenangst!), cheese tasting oder jüdisches Kulturzentrum. Hier ist nichts dabei für uns. Glücklicherweise entdecke ich einen Führer durch die Aussenbezirke Amsterdams.

 

Am nächsten Morgen geht es im grossen Bogen um die Innenstadt zum Bezirk Plantage. Es ist ruhig, kaum Menschen. Endlich abseits der Ameisenwege. Ein Hochzeitspaar wird stimmungsvoll in Szene gesetzt von der Fotografin. Wir wünschen Glück. Dann laufen sie Hand in Hand lachend davon.

Vorbei an unzähligen Wohnbooten, durch verwinkelte Gassen und Grachten Richtung Hortus Botanicus. Der botanische Garten zählt zu den ältesten der Welt.  Kürzlich las ich einen Roman deren Heldin eine Nachfahrin der Gründungsfamilie war. Daher bin ich nun gespannt wie Fiction und Wirklichkeit zusammenpassen.

Studentenviertel, ruhige Wohnstrassen, ein Mix aus behutsam restaurierten Gebäuden und moderner Architektur bietet immer wieder interessante Perspektiven. Wie wandern weit hinaus bis zu einem entlegenen Park. Am Eingang steht eine Säule mit Fundstücken. Welch sinnvolle Idee. Nach einem Lunch in einer ehemaligen Kapelle im Park laufen wir zurück. Flohmärkte, Antiquitätenläden, ein algerischer Gemüseladen, eine  antiquarisches Buchhandlung laden zum Stöbern ein.

Wir bestaunen das Kriterion, ein altes Kino aus dem Jahr 1945 und statten der portugiesischen Synagoge einen Besuch ab. Bald gelangen wir wieder in die von Menschen nahezu verstopfte Innenstadt. Eine 50 Meter lange Menschenschlange steht für Pommes Frites an. An jeder Ecke wird Cannabis in allen erdenklichen Formen von Marmelade, Bonbons bis zum Eis vermarktet. Es riecht süsslich. Ab und zu kreuzt ein Rastaman meinen Weg und stösst eine Qualmwolke aus. Diese Berauschung ist nichts für mich. Ich brauche frische Seeluft. Es ist ein Muff wie alte Mottenkugeln, gammeliger Camembert und eine Prise Schweiss, der in der Luft liegt wie Blei. Abends schwirrt mir der Kopf von den viele Eindrücken. Zig Pfeifen, Röhrchen, Glaszylinder, nicht definierbare Gebilde haben wir gesehen. Jedenfalls scheint es für die Händler ein lohnendes Geschäft, ist mein Resumee, nachdem ich den Katalog von Paradise Seeds studiert habe. Es wird weltweit verschickt. Die Samen kosten zwischen 23,- und 110,- Euro je nach Typ. Da gibt es Dutch Dragon, Medocino Sunk und die Wirkungen werden beschrieben von geistig anregend bis mächtig stoned. Belustigt  lese ich das Katalog Vokabular.

Eben eine Welt für sich, denke ich. Das liberale Amsterdam setzt auf Aufklärung statt Verbot. Das Klientel kann die Coffeeshops nutzen. Man fühlt sich als Tourist in der Stadt sicher. Auffällig sind die vielen patroullierenden Polizisten zu Fuss, zu Pferd oder zu Fahrrad. Sie greifen sofort ein, wenn es irgendwo Probleme gibt. Wir beobachten einen Fall wo sich jemand beschwert, dass sein Boot versenkt wurde. Pragmatisch antwortet der Polizist: Es ist wohl von selbst gesunken, da es schon durchgerottet war.

Der zweite Bezirk, den wir besuchen ist Oud Zuid. Das Museumsviertel mit Rijks- und van Gogh Museum.

Die vornehmsten Grachten sind die Herrengracht, Keizersgracht und die Prinsengracht.Im Gürtel dieser Grachten liegt die Stadt noch so wie sie im 17 Jhdt. ausgesehen hat, denn 4000 Häuser aus dieser Epoche stehen unter Denkmalschutz.  

Galerien, Modedesigner und tolle Möbelgeschäfte erwecken Kauflust oder auch Kauffrust, weil die Auswahl zu gross ist. Unser Ziel ist das Rijksmuseum. Doch wir schaffen es nur bis zur Eingangshalle und geben angesichts der Schlangen auf. Zwei riesige Kreuzfahrtschiffe liegen im Hafen und man hat den Eindruck, dass ein grosser Teil der Passagiere sich im Museum verdingt. Dann lieber im Viertel, dass uns an Berlin Charlottenburg erinnert, ein leckeres Eis und am zentralen Platz die Atmosphäre aufnehmen. Für uns steht fest: Amsterdam ist eine vielseitige Stadt mit vielen Gesichtern. Wir werden bestimmt wieder kommen und neue Aspekte entdecken, doch wir wollen unser Reise fortsetzen.