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Hast Du mal das Wetter gecheckt?“, frage ich beiläufig. Ein herrlich heisser Sommertag vergeht wie der andere und es hat sich laissez fair eingestellt. Wochenlang verwöhnt von einer stabilen Hochdrucklage wird man sorglos. Doch im Hinterstübchen meldet sich das kleine Vorsichtsmännchen leise aber bestimmt: „ Du weißt aus Erfahrung, dass es jede Saison in der ersten Augusthälfte gekachelt hat. Mal waren es die Ausläufer vom Hurrikan Katrina, die in abgeschwächter Form England tangierten oder schwere Gewitter.

 

Einen Vorboten erlebten wir vor einigen Tagen in Medemblik. Draussen kenterte ein 25 Fuss Boot in einer Gewitterböe und die Seenotretter mussten ausrücken. Speziell das Ijsselmeer kocht gerne sein eigenes Wettersüppchen. Hier kann es von einer Minute auf die andere recht ungemütlich werden. Axel geht mehrere Vorhersagequellen durch und sagt: „ Da kommt was an. Ein richtiger Sturm“.

Die Maximalböen sollen 73 Knoten erreichen. Die Beaufortscala hört bei Windstärke 12 und 50 Knoten auf. Bei solchen Bedingungen ist es auch im Hafen schon unangenehm. Das haben wir vor Jahren in Frankreich, La Rochelle erlebt (in den 90er Jahren ist die Marina La Rochelle einem Sturm gänzlich zum Opfer gefallen und musste wieder neu aufgebaut werden). Die Wettermodelle versuchen die Zugbahn zu berechnen und geben Warnmeldungen heraus. Flächen mir verschiedenen Windstärken sind farblich unterschiedlich markiert. Mir springt das Lila ins Auge.

Damit ist der Bereich der höchsten Windgeschwindigkeiten gekennzeichnet. Axel schlägt vor sich nach Norden zurück nach Medemblik zu verholen. Ich meine eher nach Süden zu segeln, Richtung Amsterdam. Beides geschützte Plätze. Noch am Spätnachmittag lösen wir die Leinen und kaum hat Astarte den Bug aus dem Hafenbecken gesteckt, streichen die ersten Böen übers Deck. Bei strammem Wind geht es durch die Schleuse im Zwischendamm und mit gebauschten Segeln bei voller Fahrt am Paard van Marken vorbei.

Im Ijmeer nutzen Regattasegler den Wind und fetzen ihren Dreieckskurs entlang. Die schnittigen Katamarane sind rasante Sportfahrzeuge und verlangen viel Geschicklichkeit und Balancegefühl von ihren Crews. Bei den Einrumpfbooten bestechen die bunten Spinnaker.

Wir finden unseren Weg durch das Spektakel und als wir den Einfahrtskanal nach Muiden erreichen, gelangen wir in die Windabdeckung. Hier liegt alles ruhig und eingetaucht in gleissendes Sonnenlicht erscheinen halb versunkene Wracks vor dem alten Muiderschloss einen einzufangen in eine Welt aus einer anderen Zeit.

Schlosskastell Muiden

Langsam gleiten wir über das Wasser. Muiden wirkt wie im Dornröschenschlaf. Niemand zu sehen. Bereits in der Abendämmerung machen wir fest am Meldesteg des Niederländisch Königlichen Yachtclubs von Muiden. Die Dunkelheit legt sich schnell wie eine Decke über den Ort.

Trotzdem machen wir einen kurzen Rundgang. Das Clubhaus ist plötzlich hell erleuchtet. Die Pokalsammlung schimmert im Licht. Ein junger Mann verlässt das Gebäude. Wir huschen schnell zurück an Bord, denn die Anlage ist hoch eingezäunt und vermutlich wird das offene Tor bald geschlossen.

Am nächsten Tag wollen wir uns weiter flussaufwärts verholen. Die Situation ist schwierig, da viele den Wetterbericht vor Augen haben und ihren Platz behalten. Ab 7.00 Uhr morgens laufen weitere Schiffe ein. Aufgereiht von See kommend geht der nicht enden wollende Treck an Booten ins Landesinnere. Ich telefoniere die Hafenmeister ab und wir reservieren einen Platz in einem kleinen Hafen hinter der Seeschleuse von Muiden. Leinen los und einscherren in die Reihe der Boote. Die Doppelschleuse läuft im Hochbetrieb.

Zwei Schleusenwärter steuern die Anlage manuell. Bereits nach zwanzig Minuten werden wir auf der anderen Seite wieder ausgespuckt. Dicht vorbei an den Restaurantgästen, die nahezu nur einen Meter vom Kanal entfernt sitzen, geht es zum bestellten Platz.

An der Seeschleuse Muiden

Der sogenannte Hafen wirkt marode. Auf einem Seitensteg steht eine Person. Ob Mann oder Frau lässt sich auch immer noch nicht sagen als wir schon bis auf einen Meter heran sind. Der Liegeplatz sollte eigentlich eine Box sein, wie fernmündlich angepriesen sogar für ein 15 Meter Schiff. Doch ausser einem kurzen Seitensteg und einem Poller in Schiffsmitte auf einer Seite, gibt es nichts was das Schiff hält. Heckpoller fehlen gänzlich und dass auf der windzugewandten Seite aus der der Sturm kommen soll. Wir würden erbarmungslos auf das Ufer gedrückt und nicht nur das, zu allem Überfluss liegt halb in den Platz hineinragend ein kleines Motorboot mit hochgeklapptem Aussenborder und dessen scharfkantiger Schraube. Fragend schaue ich meinen Skipper an und strecke nur zögerlich den Arm mit der Leine zum Wurf bereit aus. Schnell entscheiden wir, nein, hier hat es wirklich keinen Zweck. Das Unicum Hafenmeister oder ..in bemerkt unser Zögern verärgert und keifft: „ So was brauch ich hier nicht. Ich verschwende hier keine Zeit.“ In schmuddeliger Short, ehemals weiss, grauem Oberteil, verfilzter Strickjacke und mit einer silbernen Stellage um ein Bein, humpelt er/sie davon.  

Wir drehen ab und überlegen wohin es weiter gehen soll. Die Häfen flussaufwärts die Vecht herauf sind zu flach für uns. Der Strom der einlaufenden Schiffe reisst nicht ab. Axel drängt, den Aussenhafen auf der Steuerbordseite am Schloss anzurufen. Glücklicherweise ist dort noch genau ein Platz frei. Ich antworte optimistisch: „Wir sind in zehn Minuten da.“ Wieder Schleusenmanöver, vorbei an Schaulustigen, Restaurant- und Cafebesuchern und dem üblichen Urlaubsverkehr, der sich wartend vor der Brücke tummelt. Platz Nr 11 ist frei. Doch wir kommen nicht hinein. Axel manövriert uns vor, zurück, vor, Bugstrahlruder. Pusch, pusch. Nein wir hängen wieder auf dem Poller und werden versetzt. Das halb rein, halb raus. Das Spiel wiederholt sich noch dreimal. Im Fluss steht Strömung und versetzt erbarmungslos das Schiff (“Kappeln Feeling”). Der rege Schiffsverkehr an der Boxenreihe ist für das Manöver auch nicht wirklich hilfreich. Eine deutsche Chartercrew auf dem Nachbarschiff will helfen. Zieht und zerrt am Bug. Ich schreie: „ Vorsicht, nicht ziehen.“ Endlich liegen wie fest. Ufff, verschwitzt lasse ich mich auf die Sitzbank im Cockpit fallen. Unsere Bootsnachbarn fragen nach dem woher und wohin. Es ist eine Familie aus Hamburg auf Chartertörn nach Texel. Sie entscheiden sich nun auch zu bleiben und sich hier auf das angekündigte Wetter vorzubereiten. Wir bringen doppelte Leinen aus und sind zufrieden. Nadine kann kommen.

Glücklicherwese wurde das Ijsselmeer vom Sturm nicht ganz so heftig getroffen.  Das Sturmzentrum ist auf der Nordsee dicht an der Küste vorbeigezogen.

Die tatsächlich in der Nacht gemessenen Spitzenwerte sind in nachfolgender Karte dargestellt:

Man kann heutzutage froh sein, dass die Meteorologen die Bevölkerung und damit auch die Seefahrer frühzeitig und recht verlässlich vor Stürmen warnen, denn sie kommen ja bekanntlich von einer Minute zur nächsten.