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Prustend hänge ich an der Badeleiter. Obwohl wir nur ungefähr einen Knoten Fahrt machen, ist es nicht einfach, sich bei dem Wasserdruck festzuhalten. Die Erfrischung ist angenehm, hält aber nur kurz vor. Kaum aus dem Wasser, drückt die Hitze, bei nurmehr einem Hauch von Wind. Also doch unter Maschine weiter, denn wir werden zu langsam bei gegenläufiger Strömung.

Gegen Mittag gibt es eine thermische Brise, die uns mit einigen Kreuzschlägen durch den Meeresarm Krammer bringt. Grüne Ufer, Windräder, weisse Segel und Berufsschiffe prägen das Bild. Wie aufgereiht kommen sie schnell näher und sollten im respektvollen Abstand passiert werden. Die Fülle der Windkraftanlagen nimmt zu so wie wir uns den Krammerschleusen nähern. Auch Baukräne ragen hoch auf, über noch weiteren, im Bau befindlichen Anlagen.

Bautätigkeit vor den Krammer Schleusen

Die Wartestege vor der Yachtschleuse sind schon gut belegt. Mittlerweile hat es stark aufgebrist. Kaum fest, kommt schon einer ins Päckchen. Jetzt heiss es vorrücken und seinen Platz behaupten. Nach einer halben Stunde gehen die Tore endlich auf. Wie eine gierige Hundemeute preschen alle gleichzeitig vor. Neue Boote von hinten rauschen vorbei, den Gashebel auf den Tisch gelegt. Mit starkem Seitenwind im Pulk der Schiffe, jongliert Axel uns Meter um Meter zum Schleuseneintritt. Die Leitwerke kommen gefährlich nah. Die Nachbarschiffe sind zum Greifen nah. Von hinten „schieben“ die nächsten. Wieselflink haben sich Vordrängler breit gemacht und für unser Länge ist nun kein Platz mehr in der Schleusenkammer. Wir müssen zurück. Hinter uns scheint man jedoch anderer Ansicht. Mit haarscharfen Ausweichmanövern geht es wieder rückwärts an den Steg. Schwubs, kaum sind wir fest, liegt schon der Nächste an uns dran. Ja ist denn das die Möglichkeit? Ich rufe verärgert aus: „ so kommen wir ja nie mit rein.“ Nochmal warten. Der Wind zerrt an den Leinen, bringt aber kaum Kühlung hinter dem hohen Deich. Dann springt die Ampel auf rot grün, soll heissen Vorbereitung. Wir müssen erstmal unseren Nachbarn loswerden, und haben dadurch wieder unsere eigentlich erste Position verloren. Eine ca 20 Meter lange Motoryacht „Maarten“ aus Amsteldijk wartet ebenfalls bereits genauso lange wie wir. Nun greift der Schleusenwärter ein und aus dem Lautsprecher kommt die Ansage: erst die grosse Motoryacht, daneben zwei kleine Boote und dann der Rest. Aufatmen als wir die Kammer erreichen. Wir kommen mit!

Aber müssen höllisch aufpassen hinter dem grossen Kahn, dass sein Schraubenwasser uns nicht unkontrolliert gegen die Wand drückt. Der Schleusenwärter zeigt kein Erbarmen und dirigiert ein fünf Meter kleines Segelböötchen neben den Stahlriesen. Ängstlich schauen die beiden Bootsleute nach oben. Links die Steinmauer und rechts die Stahlwand des Motorbootes, das bedrohlich schräg versetzt, denn dort ist die Besatzung noch mit dem Anlegen beschäftigt. Ein kleines Motorboot neben uns, weigert sich in die Lücke zu fahren. Der Skipper ruft uns zu: „ Ich bin doch nicht verrückt, ein Versetzer von dem und der zerquetscht uns. Mein Boot ist dann platt.“ Über uns rauschen die Windräder. Aus der Schleusenkammer sehe ich die drehenden Räder. Zscht ztscht zzscht macht es unaufhörlich. Schnell positioniere ich noch einen Fender am Bugkorb. Wir tanzen mit dem Bug hin und her. An meiner Bugleine stehend, komme ich mir vor wie ein Raubtierbändiger. Der vormals nördlich Seitenwind hat sich in ein Verwirbelungschaos unterschiedlicher Windströmungen entwickelt. Fallböen in unkontrolliertem Muster fallen über uns her. Wer kam bloss auf die glorreiche Idee diese Windräder direkt an die Schleusenkammer zu setzen? Das alles berührt die „Maarten“ vor uns wenig. Im Salon stehen griechische Büsten schöner Jünglinge und edle maritime Messing-Leuchter.

Die Krammerschleusen Anlage besteht aus zwei Yachtschleusen mit Becken von  je 75×9 m und zwei Schleusen für die Berufsschiffahrt von 2x 280 x 24 m. Sie liegen am Knotenpunkt der dicht befahrenen Gewässer von Volkerak, Zijpe, Zoommeer, Schelde Rijn Verbindung und Oosterschelde. Besonders für Segler mit stehendem Mast sind die Durchfahrtshöhen der Brücke zu berücksichtigen. Verändert sich der Wasserstand auf der Binnenseite nur um 10 bis 20 cm abweichend vom NAP (Messeinheit Normal Amsterdam Pegel), so ist die Tide der Scheldenseite mit Abweichungen von NAP + 1,64 m oder NAP- 1,39 zu berücksichtigen.  Durch Spring und NeapTide kann der Wasserstand aber auch mal bis zu 2m unter NAP niedriger liegen. Daher schauen wir gebannt nach oben, als wir schliesslich die Brücke passieren. Optisch lässt es sich schwer einschätzen ob es passt. Eine Leuchtanzeige informiert vor der Schleuse über die Durchfahrtshöhe. So müssten wir 90 cm Luft haben. Die ganze Aktion hat mehr als zwei Stunden gedauert. Wir nutzen den guten Segelwind und rauschen weiter. Ohne Welle ist es eine herrliche Fahrt. Das Wasser hat seine Farbe gewechselt von grün zu braun. Nun sind wir in der Flusslandschaft von Mark und Dintel.  Kirchturmspitzen ragen in der Ferne über die Deiche. Schilfige Ufer wechseln mit Steinschüttungen ab. Vorbei an grünen Inseln, die alle für den Vogelschutz gesperrt sind, geht es zur Dintel. Durch die Mandersluis, der letzten Schleuse für heute,  fahren wir in die Dintel. Hier liegen zwei grosse Yachthäfen. Motorboote können bis nach Steenbergen und Breda fahren. Für uns allerdings mit unserer Masthöhe ist in Dintelmond Schluss. Es ist auch schon spät geworden und wir haben einen langen Tag hinter uns. Die Hafenanlage mit alten Holzstegen, aber von riesigen Hallen für Winterlager umgeben, macht einen verwaisten Eindruck. Von einem Hausboot winkt jemand herunter und zeigt uns freundlich eine Box, die nicht belegt wird. Wir sind hungrig, haben aber keine Lust mehr zu kochen. Im umtriebigen Hafenrestaurant, das gut besucht ist, lassen wir den Abend mit jeweils drei Slibtongen (Seezungen) ausklingen. Wir wundern uns über die Action hier, denn auf den Booten sieht man sonst niemanden. Ein schöner Sonnenuntergang färbt den Abendhimmel orange. Schnell noch die Moskitonetze richten und dann ab ins Bett.

Sonnenuntergang über der Dintel