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Petrus meint es gut mit uns, ein neuer sonniger Tag beginnt. So viel Sonne am Stück sind wir in der westlichen Ostsee nicht gewöhnt.
Die Finnen um uns herum geniessen jede Minute im Freien so scheint es. Vor allem die sogenannten weissen Nächte werden mit exzessivem Feiern zum Tag gemacht.
Gleich morgens liegen schon die ersten Sonnenanbeter im Badezeug in den städtischen Grünstreifen und und tanken soviel Sonnenlicht wie möglich. Dieses “Braten” ist nichts für uns, aber wir haben Verständnis für die Leute. Wer ca. 5 Monate nur ca. 4-6 Stunden Tageslicht hat, der hat eindeutig Nachholbedarf.
Heute geht es quer durch den Park Kaivopusto mit seinem alten Baumbestand und integrierten felsigen Schären vorbei an einem hübschen weissen Gartenrestaurant in Richtung Stadt. Ein grosses rundes reich bestücktes Blumenbeet wird gerne als Fotomotiv Hintergrund genutzt für eine Hochzeit. Wir geraten mitten in die sich sammelnden Hochzeitsgesellschaft. Es sind richtig viele. Alles Farbige, die in bester Laune feiern. Wir glauben uns in die Südstaaten Amerikas versetzt, denn alle sind sehr schick gekleidet. Die Herren in breitstreifigen Anzügen mit Hut und Lackschuhen, die Damen in leuchtend bunten Farben, engen Kleidern mit grossen Schleifen, Hütchen, zu Turbanen gewickelten Tüchern im bunten Mustermix. Eine wirklich illustre Gesellschaft. Es wird gesungen und getanzt.
Die Hochzeit lassen wir hinter uns und steigen eine Anhöhe herauf. Ein interessanter Gebäudemix aus verschiedenen Epochen wie dem Klassizismus, Jugendstil oder Holzvillen des 19. Jhdts., aber auch Bauten aus den 50er bis 70er Jahren bildet das Botschaftsviertel.
Gebäude und Strassen sind gepflegt, überall Kameras. Die USA Botschaft möchte nicht fotografiert werden. Die Franzosen sind relaxter. Aber der mit Abstand grösste Gebäudekomplex beherbergt die russische Botschaft. Hinter einem hohen Zaun liegt eine ganze eigene Stadt. Das Hauptgebäude gleicht einem imposanten Palast. In den Strassen stehen Autos mit CD Kennzeichen. Die Ausblicke von den meisten Villen

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über die See und die Küstenskyline von Helsiniki ist wunderschön. Wir resümieren: einige Herrschaften leben nicht schlecht.
Vorbei am ebenfalls von C.L. Engel entworfenen Observatorium nähern wir uns der City.
Aus einer Backsteinkirche, die sich als deutsche Kirche entpuppt, kommt ein Mann im Frack.
In einer Geschäftsstrasse entdecken wir eine russische Buchhandlung. Wir stöbern ein bisschen herum und verlassen das Geschäft mit einigen russischen Grusskarten nachdem die freundliche Verkäuferin uns die Texte übersetzt hatte. Die Lenin-Streichhölzer haben wir liegen gelassen.
Die Strassen werden voller. Die Geschäfte edler. Vor dem Hotel Kämp Nähe dem Zentrum Esplanadi, natürlich der besten Adresse der Stadt, checkt grade eine russische Familie ein.
Der aufgeklappte Kofferraum des Porsche Cayenne spukt neben feinen Ledertaschen, Einkaufstüten mit Markenaufdrucken bekannter Designer aus, sowie Champagner Flaschen.
Die Dame trägt nur ihre Handtasche und stolziert auf hohen Pumps auf den Hoteleingang zu. Direkt gegenüber liegt das berühmte Cafe Fazer. Fazer ist der finnische Chocolatier und Pralinenhersteller der Extraklasse und weit über die Grenzen berühmt.

Für uns geht es an den ausgefeilten Jugendstilfassaden vorbei Richtung Hauptbahnhof. Der 1919 eingeweihte Bahnhof ist ein klassisches Exemplar des späten finnischen Jugendstils und wurde von Eliel Saarinen entworfen. Wir bewundern die imposanten Lampenträgerfiguren. Auch die grosse Halle ist architektonisch sehr gelungen.
Über einen grossen Platz laufen wir zum modernen Museum Kiasma. Das 1998 eingeweihte Museum besteht aus zwei sehr unterschiedlichen Fassadenseiten. Einer schroffen Kante und einer geschwungenen Seite. Auf dem Rasen davor sitzen im Rundkreis rauchende Jugendliche mit Rastalocken und Gitarren. Leider haben wir für Museumsbesuche keine Zeit, aber tangieren trotzdem den Eingangsbereich. Moderne geschwungene Aufgänge wirken vielversprechend. Japanische Künstler zeigen Objekte wie z.B. ein komplett aus bunten Küchenutensilien zusammengestelltes Ensemble. Durch den Museumsladen mit einem nach Farben sortierten Angebot von Kitsch, Kunst und Büroartikeln, wenden wir uns dem nächsten Gebäudekomplex in unmittelbarer Nachbarschaft zu. Metallene Bäume wurden zwischen terrassenförmig angelegte Steinflächen platziert. Auf dem Vorplatz findet ein Musik Event statt. Das Publikum und die Veranstalter zeigen optisch eine Menge Individualismus. Hier herrscht kein Modediktat, weder für die Kleidung noch die Frisur. Wir verarbeiten die Eindrücke und bestaunen noch die riesige metallene und aus Glaselementen zusammengefügte Deckenkunst des Music Centers. Auf 25000 Quadratmetern beherbergt das Music Center unterschiedliche Funktionen für die Sibelius Akademie, das philharmonische und das finnische Rundfunkorchester. Neben fünf kleineren Sälen gibt es einen Konzertsaal mit 1650 Sitzplätzen. Geschäfte, Restaurants und ein Infozentrum runden das Angebot ab. Wir benutzen das Media Center, ein quadratischer gläserner Würfel als Abkürzung zwischen zwei Plätzen. Hier scheint ein finnischer Rundfunksender seine Büros zu haben. Als Passant kann man durch das Glas in viele Büros direkt hineinschauen und den Moderatoren bei der Arbeit zuschauen. Wir ruhen uns einige Minuten in einer sogenannten Kommunikationskugel aus. Doch ganz so recht passen wir nicht in die Szene, denn in der Nachbarkugel sitzen zwei Farbige mit überdimensionierten Kopfhörern und latest must have Sneakern.
Welchen Kontrast bildet dann die in den siebziger Jahren erbaute Finlandia Halle. Das Kongress- und Konzerthaus, in dem jährlich mehr als 500 Veranstaltungen stattfinden ist das vielleicht bekannteste Werk, das Alvar Alto, der Grossmeister der finnischen modernen Architektur, hinterlassen hat. Dabei hat Aalto nicht nur die Baumaterialien weisser Carrara Marmor und grauer Granit, sondern auch Möbel, Lampen und kleinste Details bestimmt. In der Finlandia Halle wurde 1975 das legendäre Gipfeltreffen von Staatschefs aus ganz Europa und den USA abgehalten, die über die Sicherheit und Zusammenarbeit konferierten und  die sogenannte Helsinki Charta beschlossen. 1997 fand das Gipfeltreffen zwischen Clinton und Jelzin statt.

Parlamentsgebäude, Naturhistorisches Museum lassen wir links liegen und geniessen stattdessen den schönen Ausblick über den Töölön Lahti; Lahti = See. Ein Naherholungsgebiet mitten in der Stadt. Alles sehr gepflegt und vorbildlich durchdacht mit abgezäunten Bereichen für Hundebesitzer inklusive Hundetoiletten, Spielbereichen wo Halma und Schach gespielt werden kann und schön angelegte Kinderspielplätzen. Wir geniessen den Schatten der Bäume und kehren um Richtung Stadt, um unsere knurrenden Mägen zu füllen.
In den letzten Tagen hat sich das Kaufhaus Stockmann mit seinem Restaurant und dem integrierten Cafe Fazer zu unserem bevorzugten Pausenplatz in der City gemausert. Das Stockmann wurde als kleiner Laden von einem deutschen Emigranten gegründet. Heute ist Stockmann in Finnland, Schweden und dem Baltikum eines der führenden Warenhäuser mit einem der umfangreichsten Angebote. Wir geniessen die ruhige Atmosphäre und die Kühle sowie das frische an verschiedenen Kochinseln direkt vor uns zubereitete Speisenangebot. In der Woche in Helsinki probieren wir uns durch die Karte. Rentier-Penne, Salat mit Brotkäse, Fisch und Fleisch alles schmeckt sehr gut. Leckeres Schwarzbrot mit Merettich Butter gibt es dazu. So lassen wir die Ausflüge ausklingen bevor wir zurücklaufen zum Hafen, mit der Fähre übersetzen und wieder an Bord sind.

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