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Schnell noch Wasserflaschen kaufen. Hier ist es schön nah. Der Tesco Express geöffnet von 6.00 Uhr morgens bis Mitternacht liegt nur einen Steinwurf entfernt. Der Security man kennt mich schon. Er findet meinen kleinen Transportwagen so handig. Wir sind gebucht für die 8.35 Uhr Schleuse. Und wirklich genau pünktlich geht das Manöver los. Der Dock Master ruft die Schiffe der Reihe nach auf.

Erst soll die schwere Havengore , ein Thames Cruiser, Baujahr 1956, einlaufen und wir dahinter. Amfitre, ein kleines Motorboot, ist vorgesehen, an uns festzumachen. Diesmal verläuft alles wellenberuhigt. Die Touristen Vergnügungsmaschinerie läuft zum Glück erst um 10.00 Uhr an. Der Kapitän der Havengore kommt an: „ Please give me room and wait, when I leave the dock. I have to push back to get to my outside berth.” Wir sind dankbar für diese Warnung. Bald Laufen wir Themse abwärts und winken noch mal zurück zur Towerbridge wo gestern morgen im Torbogen zum Tower ein Duddelsackspieler stand. So werden wir von London verabschiedet auf die gleiche Weise wie diese Reise nach England begonnen hat mit den nordischen Klängen der Highlands.

Duddelsackspieler am Tower

Greenwich mit der Seefahrtsschule, das O2 Zelt gleiten an uns vorbei. Wir passieren die Thames Barriers, weit und breit kein anderes Schiff. Es ist ruhig an diesem Samstag Morgen.

Noch ist die Luft drückend und angereichert mit den Abgasen der vielen Frachter und Fabriken rund im die Tilbury Docks. Wir müssen puschen, denn navigatorisch ist die Themse auf der flussaufwärts Fahrt viel einfacher zu bewältigen, als flussabwärts. Läuft man doch flussaufwärts auf der Flutwelle mit und hat ein Zeitfenster von sieben Stunden, um London zu erreichen, so ist umgekehrt die mitlaufende Strömung flussabwärts auf fünf Stunden begrenzt. Die übliche Planung läuft so, dass man die ersten zwei Stunden gegen die Strömung anläuft, schon eine Belastung für die Maschine bei einer Gegenströmung von bis zu drei Knoten, um dann im Mündungsbereich wo die Strömung zwar nicht mehr so stark ist, dass Wasser mitlaufend zu haben.

Wir müssen auch noch gegen den Nordost Wind ankämpfen, der uns sobald die Themse breiter wird kräftig entgegenbläst. Unterkommen für einen Stopp kann man so recht auch nicht. Ansonsten würde es Sinn machen eine Zwischenübernachtung einzulegen und dann jeweils mit ablaufenden Wasser fahren. In die Docks kann man nur bei nahezu Hochwasser einlaufen und an den Mooringtonnen mit Vorreservierung liegt man nicht sehr komfortabel. Der Revierführer empfiehlt sogar ironisch gleich man Seekrankheitstabletten zu verteilen, sollte jemand auf die Idee kommen an einer Tonne verweilen zu wollen. Gefühlt ist es eine kurzweilige Fahrt, da wir die Uferszenerie bereits kennen und bald stehen wir vor den Flachs zur Einfahrt des River Medway, dem obligatorischen Stopp an der Themsemündung.

Eine Armada von Yachten unter Spinnaker laufen uns entgegen, eine Wochenendregatta. Von Ferne sehen wir am Anleger in Queenborough eine Ansammlung Thames Bargen, das sind die hiesigen Traditionssegler – mit den  holländischen Plattbodenschiffen vergleichbar.  Wir haben Glück, Sheppey One ordert uns zu einem Platz am Ponton.

Hier ist es weitaus gemütlicher als an der Mooringtonne. Auf Strom muss man allerdings verzichten.

Queenborough Pier

Der Anlegesteg ist weit in den Flussarm Swale ausgelegt, da die verbleibende Tiefwasserrinne bei Ebbe in etlicher Entfernung zum Ufer liegt. Nach dem Aufklaren marschieren wir über den Holzsteg zum Ufer. Jede Planke ist mit einer Messingplatte versehen. Es sind Erinnerungsplaketten an ein besonderes Datum, an einen Verstorbenen. Man kann sich den Platz auf einer Planke kaufen. Eine schöne Idee.

Während wir noch die Inschriften lesen, knallt eine ältere Dame vor uns auf den Steg. Sie ist an einer Planke mit dem Fuss hängengeblieben und der Länge nach hingeschlagen auf ihr Gesicht. Sie blutet stark aus dem Mund. Wir eilen schnell zur Hilfe. Aber ihr Gatte antwortet: „ That´s not, because she is drunk.“ Ihren Humor behalten die Engländer in jeder Lage. Zum Glück ist es nur eine Platzwunde. Wir begleiten sie noch bis zum Ufer. Queenborough ist ein kleines Nest auf der Isles of Sheppey. Ein verschlafenes Örtchen mit Pub, Schule, Kirche, Ruderverein, Fischerhafen und einem Kiosk umringt von Industrie auf der einen und Feldern auf der andern Seite. So gibt es denn auch nur drei grössere Strassen der Einfachheit halber North Road, High Street und South Street benannt.

Ach ja dann gibt es natürlich noch Queenborough Park. Ein Feld, dass für einen nicht existierenden Elefanten angeschafft wurde. Wie es dazu kam? Der Bürgermeister, welcher zu Zeiten Queen Elisabeths der Ersten im Amt war, missverstand eine Aussage der Queen, die sie bei ihrem Besuch in Queenborough machte. „ She said: A cash equivalent would be sent. The major mistakenly read it as a `caged elephant`. “ Die Insel Sheppey an der Themsemündung war früher zu Zeiten der Windjammer wichtiger als heute. Der Naturhafen diente bereits Horatio Nelson als Stützpunkt. Französische Kriegsgefangene wurden auf vor Anker liegenden Hulks einquartiert. Wer dies nicht überstand, der wurde auf „Dead mans island“ gegenüber begraben. Sheppey war zudem Schmugglernest, Stützpunkt der niederländischen Dampfschiffahrtsgesellschaft im 19. Jhd. und Basis von ca. 100 Minenräumern, die während des zweiten Weltkrieges den englischen Kanal Tag für Tag von Minen befreiten, die von den Deutschen U-Booten oder der Luftwaffe in den Nächten gelegt wurden. Wir sind froh, dass diese Zeiten vorbei sind und wir stattdessen friedlich mit unserem britischen Einhandsegler im Päckchen Seite an Seite liegen.