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Noch verschlafen schaue ich aus der Achterluke. Alles ist grau und feucht. Konnte ich mir denken, denn noch im Halbschlaf drangen die Nebelhörner der Fähren an mein Ohr. Nochmal umdrehen oder Frühsport?

Ich entscheide mich für letzteres, krame meine Sportsachen heraus und dann geht es über das feuchte Deck an Land. Im Nebel ist auch ein leichter Sprühregen, sehr fein in der Luft. Sehr gut für die Haut, denke ich. Erstmal klettere ich auf den höchsten Punkt der Schäre. Klettern ist zu viel gesagt, da alles abgerundet ist. Doch es ist nicht leicht ein Plätzchen für meine Übung zu finden, das grade ist und möglichst wenig Gänsekot aufweist, der hier überall über den Boden verteilt ist. Die Viecher scheinen eine äusserst gesunde Verdauung zu haben. Kaum fange ich mit meinen Gymnastikübungen an, kommen sie auch schon wieder an und ausserdem werde ich argwöhnisch von etlichen Möwen beäugt, die den Neuzugang auf “ihrer” Schäre mit schräg gelegtem Kopf mustern.

Man hört die Wellen an den Fels schlagen, ohne das Wasser zu sehen, ein komisches Gefühl. Alles ist gedämpft in dieser feuchten Luft. Ausser mir scheint noch keiner unterwegs. Die Hafeninsel besteht aus einem Werftgebäude in dem einige alte Holzboote stehen zur Einlagerung oder Ausbesserungsarbeiten. Einem Kran, Stegen, ein Restaurant, Schuppen; in einem wohnt der Hafenmeister; Toilette mit Dusche und Sauna. Als wir angereist sind, entschuldigte sich der Hafenmeister für die alten Anlagen. Und in der Tat sie sind wirklich alt. Es ist wie eine Zeitreise 50 bis 60 Jahre zurück. Die Sauna ist nicht in Betrieb. Sie ist so klein, dass höchstens zwei Personen Platz finden. Aber der Blick aus dem Fenster geht direkt auf die offene See. Hier kann man ins Träumen kommen, wenn der muffige Geruch nicht wäre.

Uns ist die Herzlichkeit des jungen Hafenmeisters wichtiger als Top moderne Sanitäranlagen. Die Unterhaltung mit ihm und seine Informationen machen das Manko mehr als wett.

Nach dem Frühstück reisst der Nebel auf und die Sonne setzt sich durch. Schnell nehmen wir die nächste Fähre und lassen uns zum Stadtufer übersetzten. Der Boden glänzt wie blank poliert, denn die Sonne lässt nun alles erstrahlen. Fassaden, Bäume, Strassen – alles sieht aus wie frisch gestrichen!

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Dies ist eine optimale Beleuchtung zum Fotografieren.

Euphorisch laufen wir die Promenade am Hafen entlang. Boote und nochmals Boote.  In der Höhe des Parks Kaivopuisto öffnet sich die Bucht und gibt den Blick frei  zu vorgelagerten Inseln. Schiffe liegen an Mooringbojen, andere wiederum fahren zwischen den vielen verwirrenden Seezeichen zielstrebig ihren Weg.

Wir laufen weiter und erreichen vorbei am nächsten Yachthafen, der wieder auf einer Insel liegt das Stadtzentrum. Der Marktplatz Kaupatori ist der Dreh- und Angelpunkt für Touristen. Hier tummeln sich Menschen aus unterschiedlichen Nationen. Vielfältige Marktstände mit bunten Stoffdächern bieten Andenken, Obst, Gemüse, Felle, Kunst und Kitsch. Ausserdem gibt es viele Schnellrestaurant-Stände wo meist in Pfannen diverse Gerichte brutzeln. Fischiges und fleischiges findet gleichermassen seine Abnehmer. An Holztischen und auf Holzbänken wird gegessen was das Zeug hält. Überall ist es voll. Der Markt brodelt regelrecht und drumherum fahren Busse, Strassenbahn, Nostalgiebahn, es gibt sogar einen fahrenden Pub und Ausflugsdampfer legen pausenlos an und ab.

Wir bahnen uns einen Weg durch die Menge, nachdem wir noch die historische alte Markthalle von innen besichtigt haben, und steuern auf die weithin sichtbare Uspensky Kathedrale zu.

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Aussen mit rotem Backstein verkleidet und mit einem Dach aus vergoldeten Zwiebeltürmen ist das der Jungfrau Maria geweihte Gotteshaus die grösste russisch orthodoxe Kirche Nordeuropas. Das Innere des 1868 nach altrussischem Stil erstellten Baus erstrahlt auch in seinem Inneren mit viel Gold. Bemalte Granitsäulen, Ikonen und verschiedene Reliquien wie eine Tafel mit Ringen entführen den Besucher in eine eigene mystische Welt. Ob die hunderten von Asiaten, die im Minutentakt mit Reisebussen direkt vor die Stufen gekarrt werden auch eine Blick für die Details haben ist ungewiss. Zumindest lässt die Quantität des Klickens auf die Kameraauslöser oder das Ständige Hochhalten und Filmen mit dem I-Phone Interesse vermuten oder ist es einfach Gewohnheit?

Uns wird das Gedränge schnell zuviel und nachdem wir den Rundblick hinüber zum Dom von Helsinki aber auch über einen weiteren Hafen und viele Inseln genossen haben, flüchten wir die Anhöhe hinunter in eine Wohngegend wo sich anscheinend der Touristenstrom noch nicht ausgebreitet hat.

Am Ufer der Halbinsel Katajanokka liegt der gleichnamige Yachtclub. Hier haben wir bereits im Vorfeld erfahren, dass das Anlegen teuer ist. Abgesehen von einem Liegegeld mit dem man auch eine Nacht in einem Mittelklassehotel bezahlen könnte, weisen Schilder darauf hin, dass wer hier ohne vorherige Reservierung anlegt extra zur Kasse gebeten wird. Die saftige Strafgebühr von EURO 80,- kommt dann noch auf die Liegeplatzkosten oben drauf.

Hier hätten wir auch nicht hereingepasst. Es reihen sich ausschliesslich nagelneue grosse Motoryachten aneinander mit ihren Besitzerpaaren, die in den neuesten Sportoutfits der angesagten Brands dem Müßiggang nachgehen.

Es ist heisses Sommerwetter. Da passt der nächste Anblick gar nicht hinein. Finnland besitzt acht Eisbrecher, die in den Sommermonaten alles arbeitslos hier vertäut liegen. Diese imposanten Schiffe halten in den Wintermonaten die Schifffahrtswege für die Fracht- und Passagierschiffe passierbar.

Moderne Wohnviertel mit Grünanlagen, Spielplätzen wechseln mit Strassenzügen wo sich schöne alte Jugendstilhäuser aneinanderreihen. Wir umrunden die Halbinsel auf dem Uferweg und landen wieder am Marktplatz.

Quer durchs Zentrum über die Esplanaden geht es zurück zum Schiff. Diese Haupteinkaufs- und Geschäftsstrasse Helsinkis mit ihren zwei Strassen, die durch eine begrünte Parkanlage in der Mitte verbunden sind, erinnert uns sehr an die KÖ in Düsseldorf.

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