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Nach dem obligatorischen Funkspruch und der Freigabe zum Verlassen des Hafens Lowestoft steht und gleich der Schwell aus Nordost entgegen. Ein einlaufender rostiger Fischkutter holt so weit über, dass seine noch ausgestellten Netzbäume fast mit den Enden ins Wasser tauchen. Auch wir schlingern was das Zeug hält. Die Engländer bezeichnen die Seeverhältnisse ab BFT 4 vor Lowestoft wegen der etwas chaotischen See als lively.

Erst im tieferen Wasser ausserhalb der Sände wird es etwas ruhiger. Vor dem Wind geht es wie im Flug Richtung Süd. Ein Versorgerschiff nach dem anderen steamt mit imposanter Bugwelle an uns vorbei Richtung Themse, um dort am Aufbau der riesigen Windkraftfelder zu wirken.

Windpark Service Schiff

Aus dem Fluss Blyth läuft eine schicke klassische Yacht mit dunkelblauem Rumpf unter Maschine aus. Unser Bewunderung schlägt bald in Ärger um, als sie uns direkt vor den Bug läuft und zum Ausweichen zwingt. Platt vor dem Laken ein unangenehmes Manöver und völlig unötig, da wir erstens Vorfahrt haben und zweitens weit und breit genügend Seeraum ist. An Bord ist man anscheinend völlig mit sich selbst und dem anstehenden Segelsetzen beschäftigt ohne um sich zu schauen. Die Yacht mit niederländerischer Nationale geht schliesslich auf den gleichen Kurs wie wir. Sicher zieht sie schnell vorbei, denken wir. Doch weit gefehlt. Bis zur Ansteuerung von Harwich halten wir sie hinter uns, obwohl wir um einiges kleiner sind. Also doch kein fliegender Holländer.

Harwich haben wir eigentlich als Industriehafen in schlechter Erinnerung. Nun bei herrlichem Sonnenschein präsentiert sich der River Orwell von seiner besten Seite. Wir halten uns auf dem vorgegebenen Yachttrack und bergen nach einer zügigen Überfahrt, die uns schneller als gedacht ans Ziel gebracht hat die Segel. Kaum haben wir das Manöver erledigt, fallen starke Windböen ein und die Windstärke klettert in minutenschnelle herauf, als habe jemand einen Schalter umgelegt.  Mit jeder Meile, die wir flussaufwärts fahren fällt eine Lage, denn es wird immer heisser. Die Flussufer sind bewaldet und im Fluss liegen die Boote wie aufgereiht an Mooringtonnen. Kurz vor Ipswich spannt sich eine hohe hässliche Beton-Autobahnbrücke über den Fluss. Der liebliche Charakter wandelt sich jäh in eine Industrietristesse. Containerschiffe werden be- und entladen. Riesige Schrottberge liegen am Ufer. Dann erreichen wir Ispwich Lock.

In der Ipswich Schleuse zum Dock

Auf Funkanruf öffnet der Schleusenwärter prompt. Ipswich gehört zu einem der ältesten Häfen GBs und das Dock war eines der grössten seiner Zeit. Jetzt füllen die Freizeitsegler das Becken. Wurde früher Fracht aber vor allem auch Post hauptsächlich zwischen Harwich und Hellevoetsluis in Holland befördert, ja sogar die sogenannten Kindertransporte durchgeführt, um für so viele jüdische Waisenkinder wie möglich den sicheren grausamen Tod unter dem Hitler Regime zu verhindern, so werden jetzt nur noch Touristen befördert. Vorbei am historischen Zollhaus und malerischen Pubs an der Hafenmeile geht es zum Besuchersteg. Dieser erweist sich als ausgesprochen trickreich. Eingeklemmt zwischen zwei viel zu kurzen Auslegern verbringen wir die erste Nacht. Unser Plan ist hier eine Woche zu verweilen, um Ausflüge in die Gegend zu unternehmen. Am nächsten Morgen hat sich Axel schon zum Joggen umgezogen, als ich ihm die Nachricht vom Hafenbüro übermitteln muss, dass wir grade mit Mühe und Not zwei weitere Nächte geduldet werden, da kommendes Wochenende hier Pfingsten ist und sich vier Clubs mit ihren Mitlgiedern angekündigt haben. Der Hafen sei restlos ausgebucht. Man stellt sich auf das vollste Wochenende des ganzen Jahres ein. Der Platz sei zügig zu räumen. Wir legen uns am frühen Morgen um. Grade noch können wir in der Enge herausrangieren, denn später pfeifft es schon wieder in den Wanten. Nachdem die Umlegeaktion erledigt ist, kann Axel endlich joggen und ich verdinge mich mit Wäschewaschen.