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Unsere abgesteckte Fahrtroute nach Texel führt über ein Wattenhoch. Auf den Punkt haben wir unsere Fahrtzeit mit Berücksichtigung der Strömungsgeschwindigkeit berechnet und sind zufrieden, dass wir nach einem schnellen Tankstopp mit saftigem Dieselpreis genau zeitgerecht das Fahrwasser Blaue Slenk hinab segeln. Der angekündigte Norder 3-4 Bft entpuppt sich dann schnell als Sechser Wind aus Nordwest.

Jetzt heisst es voraus schauen und nicht nach hinten. Es ist wie eine Fahrt auf dem Kettenkarussel. Tonnen drehen sich um ihre eigene Achse und schlingernd driften wir quer auf selbige zu, dann,uftzt geschafft,  bleiben sie doch achteraus, ohne sie gerammt zu haben. Die Fahrwasser sind eng und der Fährverkehr mit Schnellkatamaranen, deren Dächer gelbe Rundum Blitzleuchten tragen, tut ein übriges, dass der Steuermann seine volle Konzentration braucht.

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Die Spannung steigt, als wir uns dem Wattenhoch nähern. Mittlerweile vom Haupttrack weit entfernt ist es einsam geworden um uns herum. Eine grün-graue Wasserwüste deren aufgewühlte Oberfläche kleine kurze Wellen mit weissen Schaumkronen trägt, die vom Wind weggetragen werden und sich dann in langen weissen Schlieren durchs Wasser ziehen. Die Prickenfelder, dass sind grosse Zweige, die hochkant in den Grund gerammt werden zu Markierungszwecken, links und rechts um uns herum, zeigen an, dass es dort ganz flach ist und Muschelzuchtanlagen installiert sind. Zweifel kommen mir, ob es eine gute Idee war,  diese Route zu wählen, statt die Insel Vlieland aussen zu passieren. Ein leichtes Brennen und Druckgefühl in der Magengegend gesellt sich zur klammen Mulmigkeit. Doch das Ungehagen löst sich, als auf Gegenkurs einige Segler aufkreuzen. Das werte ich als gutes Zeichen. Aha, die Route wird befahren und der Zeitpunkt scheint auch zu stimmen. Wir bergen die Segel und nähern und dem engen Fahrwasser mit der flachsten Stelle vorsichtig unter Maschine. Auf den Punkt nach unserer Berechnung treten wir das schwierige Teilstück an. Doch schnell krampft mein Magen wieder und das Daumen drücken beginnt als das Echolot fällt und fällt. Mit 2,3 Meter und einem kurzen Zucken auf 2,1 Metern trennen nur einige Zentimeter den Kiel vom Grund. Endlos erscheinen und die drei bis vier Seemeilen mit diesen Mindertiefen, hätten hier doch mindestens bei Hochwasser und damit 2,20 Meter Zusatzwasser 3,00 Meter Wassertiefe sein sollen. Insgesamt 2,20 Meter bedeuten,  in einem Revier, wo die Tiefen nur über weite Flächen variieren, entspanntes Segeln. Im Watt, wo die Fahrwasser stetig wandern und schon nach einigen Metern nach bbd oder stbd und auch im Fahrwasser selbst erheblich schwanken (bis zum Trockenfallen bei Niedrigwasser) und wo zusätzlich die Wellenamplitude zu berücksichtigen ist, steigt bei der Crew dann doch die Nervosität. Aber, um es vorwegzunehmen; wir haben es überlebt!

Wer sich hier vertiefend einlesen möchte, dm sei diese Literatur empfohlen:

http://ontmoeting-zeilreizen.nl/ontmoetingzeilreizen/zeilenwaddenzee/waterstandenwaddenzee.htm

Das Scheurrak / Ommedraai / Oude Vlie (so heisst die Stelle, die unschön war) ist dorten auch beschrieben.

 Nach dieser Aufregung wird uns auf dem letzten Teilstück hoch am Wind noch einmal alles abverlangt. Gischt spritzt hoch, Wellen klatschen gegen die Bordwand, der Wind brettert hart ins Rigg. Die Logge zeigt 10,3 Knoten über Grund. Mittlerweile ist die Strömung gekentert und in Rauschefahrt geht es dem Ziel entgegen.

Als wir vorbei an der Fischerreiflotte durch das grosse Hafenbecken von Texel tuckern, schwören wir uns: niemals wieder Oude Vlie.