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Hatte uns Rolf über die Vorzüge des Innenfahrwassers aufgeklärt und die ausreichende Brückenhöhe und Tiefgang bestätigt, so entscheiden wir uns doch für die Aussenroute, um sämtliche vorgelagerten Inseln der Südostspitze Schwedens herum. Alles Planen und Ausarbeiten des optimalen Zeitfensters am Vorabend ist Makulatur. Pünktlich zum Ablegen schütten sich die dunklen Regenwolken aus. Verkrochen unter unserem Dockhaus schauen wir zu wie der Regen auf Deck pladdert.

Nach einigen Meilen unter Motor, können wir endlich segeln und inzwischen hat es auch aufgehört zu regnen. Rasmus ist mit uns und so halten die guten Bedingungen bis fast vor den Hafen von Karlskrona an. Geschützt hinter einem Schärengürtel und mittelalterlichen Befestigungswerken liegt der Hauptmarine-Stützpunkt Schwedens. Die Fahrwasser sind mit Unterwasserhindernissen blockiert, um russische U-Boote abzuhalten. Schmale Zufahrten führen zu den inneren Gewässern. Vorbei am Marinehafen in dem futuristisch anmutende Kriegsschiffe liegen, geht es zur Marina. Ein Schauer erwischt uns beim Anlegen und wir werden nochmal richtig nass. Was bietet sich also anderes an, als den verregneten Spätnachmittag zu nutzen, sich mal wieder um Wäsche zu kümmern. Also zum Hafenbüro zahlen und Code für den Sanitärblock erhalten. Grade trage ich mich in die Reservierungsliste für die Waschmaschinen ein und ärgere mich über das Schiff Mina, als ein blondgelockter Jüngling mit einem Ikeabeutel ankommt und unbeholfen fragt, ob das Waschen umsonst sei. Ich erkläre ihm: „ Ja, aber man muss ein Zeitfenster reservieren.“ Verdattert schaut er auf die volle Liste. Die Mina ist für jeweils drei Stunden bei allen drei Maschinen eingetragen, wie dreist!  So wie es Blockaden gegen Schiffe und U-Boote gibt im kalten Krieg, habe ich es hier mit einer Waschblockade unter Seglern zu tun. Also warten bis heute Abend um acht. Meine reservierte Maschine ist dann trotzdem belegt. Nun sehe ich die Warterei nicht mehr ein und nehme stattdessen eine andere Maschine, die grade frei geworden ist. Der Abend wird lang, denn etliche Gänge werden fällig mit Umräumen zum Trockner und am Schluss kommt die Wäsche dann doch noch klamm raus. Erschöpft krieche ich in die Koje. Am nächsten Morgen strahlt die Sonne. Die Wäsche kommt auf die Reling. Am Steg laufen bekannte Gesichter vorbei. Natürlich wieder Rainer, aber auch Crews, die wir vom letzten Jahr kennen. Wir starten zum Stadtrundgang und bleiben zufällig am Marinemuseum hängen.

Marinemuseum Karlskrona

Selbiges brummt schon wie ein Bienenstock. Das angegliederte Restaurant ist voll belegt. Auf den am Kai vertäuten Museumsschiffe wusseln Menschen. Zuerst inspizieren wir die alten Lager- und Bootshäuser. Die Tore stehen offen, ein dumpfer Geruch von feuchtem Holz schlägt uns entgegen. Das Museum selbst zeigt Schiffsmodelle, eine Sammlung Gallionsfiguren und arbeitet die Zeit der Weltkriege und des kalten Kriegs auf.

Uns beeindruckt das Schlauchboot mit Aussenborder mit dem einem  Russen 1984 die Flucht über die Ostsee nach Gotland gelungen ist.

Sowjetbürger Valeri Duttschack flüchtet 1984 über die Ostsee mit diesem Boot

Dann besichtigen wir das U-Boot Nep und einen alten Schnellsegler. Nach den vielen Eindrücken kommt der Hunger und wir beschliessen den Mittag am Buffet. Dabei amüsieren wir uns über die Museums-Broschüre, die Kindern den damaligen Alltag an Bord eines Kriegsschiffes aus dem 18. Jh. näher bringen soll. Sie sollen sich vorstellen Soldat an Bord eines Linienschiffes zu sein gemeinsam mit 600 anderen Leuten.  Nun werden den Kindern die folgenden Umstände erläutert und dabei haben sie Auswahlmöglichkeiten durch Ankreuzen ihre Meinung zu äussern zwischen: “kein Problem”  bis “schrecklich”. Die Punkte sind:

Du kannst nur einmal in sechs Monaten an Land gehen, um Dich zu waschen.

Du trägst die ganze Zeit dieselbe ungewaschene Kleidung.

Du schläfst in einer Hängekoje auf dem unteren Kanonendeck.

Läuse und Flöhe jucken Dich die ganze Zeit.

Es gibt reichlich Ratten an Bord.

Jeden Tag bekommst Du Erbsen, trockenes Brot und ranzige Butter, Hering und Pökelfleisch zu essen.

Das gesamte Essen ist schimmelig.

Du wirst verletzt, die Wunde entzündet sich und der Schiffsarzt muss Dir das Bein abnehmen.

Pädagogisch sinnvoll oder nicht, dass sollen Eltern entscheiden.

 

Gallionshalle

Am Abend laufen wir noch zum Supermarkt, werden aber schon am Steg von Rolf abgefangen. Er weiss zu berichten, dass ein schwedischer Motorbootfahrer mit seinem Boot die Fahrwassertonnen verwechselt hat und das Boot mit Schwung oben auf den abgerundeten Schären gelandet ist. Die Familie musste per Hubschrauber abgeborgen werden. Dann schwenkt er um zur Geschichte Karlskronas als Schiffsbaustandort. „ Wissen Sie, dass hier der Serienschiffsbau entstand?  Es gibt fünf Docks. Der König liess jede Menge Eichen auf den Schären anpflanzen und die Bauern mussten die Äste pflegen, indem sie Gewichte daran  hingen, die die Äste nach unten zogen, um Krummhölzer für den Bootsbau zu erhalten.“ Mein Augen schweifen hilfesuchend  umher, ob nicht irgendwo seine Frau zu sehen ist, die ihn einsammelt. Doch nein, diesmal müssen wir ihm selbst einen Korb geben. So sagte ich vorsichtig: „ Wir müssen noch einkaufen, man sieht sich.“