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Der Finne schweigt und geniesst. Also der schweigsame Finne ist ein Klischee in der Literatur. Jeder mag für sich entscheiden, ob dem so ist oder welche Erfahrungen er gesammelt hat. Ich sage: besser schweigsam als störend und belästigend. Meinen schweigenden Finnen erlebe ich auf Berghamn. Am nächsten Morgen bricht ein sonniger Sommertag an. Hier heisst dies, dass die Sonne bereits um 5.00 Uhr ! morgens ein gleissendes Licht durch die Ritzen des abgedunkelten Seitenfensters schickt. Ich stehe auf, schiebe das Luk auf und da

sitzt der Bootsnachbar bereits in seinem Cockpit. Das Gesicht zur Sonne gewandt nimmt er die Umgebung in sich auf, ja saugt sie förmlich ein. Während wir uns zur Abreise vorbereiten ändert sich die Szenerie nicht. Hier und da eine leichte Kopfdrehung, aber sonst passiert nichts. Von Statur, Gesicht und Verhalten hat er für mich Ähnlichkeit mit einem Walross. Hier kann ich noch etwas lernen: ruhig und gelassen werden!

Mit dieser Einsicht im Gepäck verlassen wir diesen schönen Ort und der Bug richtet sich nach Westen. Eine gute Segelfahrt schliesst sich an. Schäre um Schäre fliegt vorbei. Wir haben einen Track ausserhalb der betonnten Fahrwasser gelegt. Sind diesmal mutiger auf unserer Reise als im letzten Jahr. Wird dies zum Risiko? Denn plötzlich bildet sich seewärts eine weisse geschlossene Wand. Überlegen wir noch den Kurs zu ändern und nach Norden auszuweichen, so erübrigt sich dies in den nächsten fünf Minuten. Nun sind auch wir eingehüllt in der schweren feuchten undurchsichtigen Luft. „ So ein Mist“, entfährt es mir. „Ausgerechnet in diesem Gebiet.“ Es ist ein Wechselbad der Gefühle. Nach wenigen Minuten reisst die Decke auf, um sich dann sofort wieder zu verschliessen.

 

Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei. Die Fahrt nach den Instrumenten hat gut funktioniert. Alle zwei Minuten haben wir ein Schallsignal gegeben. Im Nachhinein waren wir froh ausserhalb der dicht befahrenen Hauptroute zu sein. Im Ansteuerungsfahrwasser zur Insel Kökar gibt es für uns die Kelle. Nachdem die Coast guard einen finnischen Segler zu sich gewunken hat, sind auch wir an der Reihe. Mit einem runden Signalschild werden wir zum Aufstoppen aufgefordert. Das Motorboot kommt längsseits und zwei in schwarzen Schutzanzügen und mit allerlei Ausrüstung behangene Beamte wollen die Sicherheitsausrüstung checken. Zunächst sind sie erfreut, dass wir Schwimmwesten tragen (wir wussten ja in sicherer Distanz bereits, was auf uns zukommen würde). Dann möchten sie unsere Feuerlöscher sehen. Wir holen einen Löscher nach oben. Sie belehren uns, dass in Finnland die Löscher jährlich geprüft werden müssen und der Schaum bei zu langer Lagerung nach unten sackt. Dann muss der Skipper noch die Alkoholkontrolle mit Röhrchen pusten absolvieren. Nullkommanull. Sie sind zufrieden, übergeben uns Visitenkarten mit Notfalltelefonnummer und legen ab. Dann eine elegante Kurve und mit Vollgas geht es zum nächsten Einsatz.

Kontrolle auf See

Nach dieser Verzögerung ist es mittlerweile früher Abend und wir sind froh, am Steg von Sandvik noch den letzten freien Bojenplatz zu ergattern. Den langen Tag beschliessen wir mit einer Wanderung zur Annenkirche und den Resten des ehemaligen Franziskanerklosters aus dem 15. Jh. Es sind die Ruinen des einzigen Klosters auf den Alandinseln. Das Gebiet der Alands war schon sehr früh das dicht besiedelste Gebiet Skandinaviens. Wir wundern uns über die üppige Vegetation, die auf dem Felsuntergrund Fuss fasst. Vorbei an gepflegten Sommerhäusern geht es über eine Schotterstrasse zur vorgelagerten Insel Hamnö. Auch am Abend steht die Sonne noch hoch. Der Urlaubsbetrieb ist in vollem Gange. Radfahrer, Wanderer sind unterwegs und Familien mit Kindern grillen, essen, spielen am Ufer. Bis spät in den Abend springen die Kinder im Wasser herum. Der Rummel am Hafen steht im Kontrast zur Stille im Kirchschiff der Annenkirche, das mit Birkenzweigen geschmückt ist. Nach diesem aufregenden Tag mit vielfältigen Eindrücken und Erlebnissen fallen wir müde in die Koje.