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Die Abreisevorbereitungen sind erledigt. Morgen soll es endlich weitergehen. Auch auf den anderen Booten scheint die Nachricht der Wetterberuhigung eingegangen zu sein. So werden Fahrräder verstaut und Kuchenbuden abgebaut. Wir bereiten das Abendessen vor und hören plötzlich ein Poltern am Anker

und dann laute Schritte an Deck. Da kommt einfach jemand bei uns an Bord. Was ist da los? Axel ist sofort oben und steckt den Kopf aus der Kuchenbude. Ein Typ im roten Segelanzug ist bis zum Heck marschiert und hantiert mit einem Enterhaken. Er beachtet uns gar nicht. Axel spricht ihn an was er hier bei uns an Deck macht. Bevor man ein fremdes Schiff einfach betritt, hätte man zu Klopfen und zu fragen. Der Este stammelt etwas von er gehöre zum Regattateam und zeigt auf einen treibenden Fender. Wir helfen ihm den Fender zu angeln und machen ihm nochmal deutlich, dass er schnellstens verschwinden soll und dass sich sein Verhalten nicht gehört. Es gibt schon dreiste Mitmenschen resümieren wir. Am nächsten Tag geht es früh raus. Glücklicherweise kommt der Wind doch östlicher und wir können segeln, denn unser Kurs geht fast genau nach Norden. Als wir das enge Fahrwasser zwischen dem Festland und der Insel Vormsi hinter uns gelassen haben, verdichtet sich der diesige Himmel weiter und schlagartig sitzen wir in einer dicken Suppe – Nebel!

Die Temperatur fällt auf 15 Grad Celsius, aber gefühlt ist es arschkalt und mit mehreren Lagen, Mütze, sogar Handschuhen erst lässt sich die feuchte Kälte aushalten. Ab und zu sieht man durch ein kleines Loch am Himmel das Blau, aber über dem Wasser ist die Sicht nur an die 50 bis 100 Meter weit. Mit Radar und Plotter tasten wir uns vorwärts. Bald ist Dirhami erreicht und wir sind froh, dass dieses Gebiet nicht im Bereich einer dicht befahrenen Seeschiffahrtsstrasse liegt. Der Hafen ist noch leer. Wenige Boote dümpeln an der Spuntwand.

Es ist der Absprunghafen nach Finnland und auch der letzte Hafen vor einer längeren Küstenfahrt nach Tallinn. Dirhami liegt im Niemandsland. Bis zum nächsten Dorf sind es einige Kilometer. In der einsamen bewaldeten Gegend liegen vereinzelt einige Ferienhäuser. Mittlerweile hat sich die Sonne durchgesetzt und es wird sogar heiss. Wir machen einen Strandspaziergang bis zum Kap Spithami. Hier weht die Schweizer Flagge an einem rostigen Eisenturm. Zur Beobachtung der Natur steht ein kleines Holzhäuschen bereit. Wer sich überansprengt hat oder hier gestrandet ist, kann auf einem alten Kunstledersofa nächtigen.

Zurück im Hafen, der sich zusehends füllt, einer nach dem anderen treffen die Engländer ein, helfen wir einem Holzboot aus Hamburg beim Anlegen. Das Boot ist spartanisch ausgerüstet. Trotzdem haben sie es bis hier her geschafft. Am späteren Abend werden die Stimmen laut auf diesem Schiff. Das Paar streitet sich über die Bordkasse. Da hängt der Haussegen mächtig schief. Wir verziehen uns unter Deck. Die Frau nebenan hat wohl das gleiche getan, während er seinen Frust im Cockpit mit Rotwein ertränkt. Zu diesem Zweck ist ein Holzfässchen aufgebaut.