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Nachdem Zar Peter der Grosse im früher 17 Jahrhundert das Baltikum eroberte, etablierte er einen Palast mit einem öffentlichen Park und benannte ihn Ekaterinenthal. Wasserfontänen, Teiche und Wald wurden angelegt und erfreuen noch heute die Anwohner und Besucher. In den folgenden zwei Jahrhunderten siedelten sich in den Strassen um Katharinenthal (auf estonisch Kadriorg) herrschaftliche Villen aus Holz an. Bis heute ist die Gegend ein Wohngebiet für Gutbetuchte geblieben. Direkt hinter dem Katharinenpalast liegt der Präsidentenpalast. Zar Peter überwachte persönlich die Bauarbeiten des 1718 begonnenen Palastkomplexes, den er für seine Gattin Katharina vom Architekten Nicola Michettin erbauen liess. Peters Haus nimmt sich gegen den Palast eher bescheiden aus.

Vorbei an schönen alten Holzvillen, einem Schwanenteich mit weissem Pavillion durch gepflegte Grünanlagen mit altem Baumbestand laufen wir Richtung Palast. Mütter mit Kinderwagen oder herumtollenden Kleinkindern und viele andere Ausflügler nutzen den Sonntag im Park. Es gibt Tennisanlagen, die alle bespielt werden, ein Kindermuseum mit angegliedertem grossem Spielplatz, der eher einem Phantasieland gleicht, so aufwendig ist er gestaltet. Auf den schattigen Wegen flanieren Liebespaare. Die Art und Weise wie sie sich angezogen sprich „fein gemacht“ haben und der Blumenstrauss der Dame vermittelt das Gefühl, dass es sich bei den Paaren um das erste Date handelt. Die Damen haben ihren Blick leicht gesenkt und schauen auf die Blumen, die sie locker in eine Ellenbogenbeuge gelegt haben. Sie lauschen den Herren, die ihnen leise einige Sätze zusprechen. Langsamen Schrittes ziehen die Pärchen dahin. Der Herr im Anzug mit Hut und die Dame im gepunkteten Sommerkleid und Pumps mit Handtasche oder im langen blumengemusterten Kleid mit freiem Rücken und Stola.

Wir erreichen den Katharinenpalast. Wasserspiele, Springbrunnen ornamentartig angelegte Blumenbeete umgeben das rosa-rötlich gestrichene Gebäude. Ein immer wiederkehrendes Element sind steinerne Vasen. Ein russisches Stilelement, dass wir noch oft auf unserer Reise sehen werden.Heute birgt der Palast ein Kunstmuseum mit alten Meister. Vorbei am Präsidentenpalast erreichen wir das 2008 erbaute KUMU Kunstmuseum. Ein ultramoderner Bau, der moderne und zeitgenössische Kunst präsentiert auf sechs Etagen. Dafür haben wir heute keine Zeit und nutzen nur die Toiletten. Es ist heiss und wir suchen wieder den Schatten. Der Park wird dichter und wilder. Freiflächen sind nicht gemäht. Das Gras steht über einen halben Meter hoch. Gruppen junger Leute sitzen mitten in diesem Unkraut und Gras. Sie rauchen, lesen, unterhalten sich. Es schauen nur die Köpfe raus. Wir haben Angst vor Zecken und bleiben auf den Wegen. Bald sind wir an der Strandpromenade wo uns wieder die drückende Hitze empfängt. Unerbittlich sticht die Sonne auf uns nieder.

Pirita liegt 6 km vom Zentrum entfernt. Sandstrände und Pinienwald liefern ideale Voraussetzungen als Naherholungsgebiet. Wir laufen weiter. Das windstille, heisse Wetter hat noch einen unschönen Effekt: es stinkt. Eingebetet in Schlick liegen unzählige Steine umringt von einem schleimigen braungrünen Algenteppich, der einen stechenden Geruch verbreitet. Der Autoverkehr auf der vielbefahrenen vierspurigen Strasse mit seinen Abgasen verdichtet die Luft zusätzlich. Der Marsch wird zur Strapaze. So beachten wir das monumentale Denkmal, das einer nicht zu Ende gebauten Autobahnbrücke gleicht und dessen Betonplatten hässlich in die Gegend ragen, kaum. Das Maarjamäe Denkmal wurde zu Ehren der Gefallenen im Zweiten Weltkrieg errichtet. Auch einen Abstecher zur Sängerfestwiese, deren gebogenes Dach der Konzertarena, wir von weitem sehen, lassen wir ausfallen. Hat der Platz zwar historisch grosse Bedeutung für die Esten, denn hier begann 1988 die „singende Revolution“ gegen den Besatzer Sowjetunion. Estisches Liedgut war verboten. Aber die Esten begehrten auf und sangen ihre Weisen gegen den Kommunismus, der ihnen aufgezwungen wurde. Am Yachtzentrum erinnern nur noch die monotonen Plattenbauten aus Beton an die Zeit der Repression. Wobei die Gebäudekomplexe Ähnlichkeit mit dem Oylmpiahafen in Kiel haben. Ansonsten unterscheidet sich die Szenerie hier nicht mehr vom Westen. Sportlich gekleidete Yuppies in Gant, Henri Lloyd, Helly Hansen und co. machen Rennziegen startklar. Wohnmobile, auch Deutsche, stehen auf dem Parkplatz. Immer den Schatten suchend, laufen wir im Zickzack zum Yachtclub und geniessen bald auf der Terasse des Kalevi Jaht Klubi ein leckeres Essen. Meine Joghurtsuppe schmeckt vorzüglich und Axels Lachs mit Gemüse ist auch auf den Punkt gegart. Gesättigt queren wir eine Brücke über den Fluss (estisch: Jogi) Pirita und werfen einen Blick auf die 35 Meter hohe Fassadenriune des im 15. Jhdt. erbauten Nonnenkonvents der Brigitten bevor wir den Bus zurück nehmen.

Bild 1: Pärchen vor Anton Hansen Tammsaare Museum

Bild 2: Kadriorg Palast

Bild 3: KUMU Kunstmuseum

Bild 4: Yachthafen Klub Kalevi in Pirita

Bild 5: Fassade des Brigittenklosters