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Der Hafen ist bereits wieder geschäftig um uns herum. Lade- und Löscharbeiten sind im vollen Gange. Wir laufen unter Maschine Richtung Daugava Mündung und werfen einen letzen Blick zurück auf die Skyline von Riga, deren moderne Hochhausfassaden in der Morgensonne glitzern. Nach einer guten Stunde ist die Ostsee wieder erreicht. Im Mündungsbereich des Flusses wird gefischt. Wir müssen scharf Ausschau halten und zwischen vielen Fischfähnchen hindurch lavieren. Bald ist die Flachwasserzone hinter uns, aber der Wind lässt auf sich warten. In Schleichfahrt geht es zunächst Richtung Skulte. Später entwickelt sich noch ein guter Segelwind und nach einem Check der Unterlagen, dass Skulte nur als Nothafen dient

Hafen von Salagriva

Hafen von Salagriva

und es dort auch keinen Strom gibt, ändern wir den Kurs und laufen einen langen Schlag hoch nach Norden. Nach knappen 12 Stunden stehen wir vor der Ansteuerung von Salagriva. An dieser endlosen Sandküste sind die Häfen dünn gesäht und bei starkem Westwind auch nicht anlaufbar. Jeder Skipper möchte daher diesen Landstrich schnell hinter sich bringen. Die Broschüren vom Tourismusbüro in Riga, beschreiben den Ort als Bade- und Erholungsort für die Städter. Wir erwarten zwar nicht ein Timmendorf  oder Grömitz vorzufinden, sind aber in Vorfreude nach den Tagen in der Stadt auf einen schönen Strand, Meer und einen kleinen netten Ort. Die Realität sieht anders aus. Alte zerfallene Fabrikgebäude und Schornsteine säumen die Ufer am Hafen. Es ist ein Holzumschlagplatz wo riesige Holzstamm-Stapel  mit Baggern verladen werden.

Triste fünf-geschossige nüchterne Bauten entdecke ich auch schon. Dazu gesellt sich ein undefinierbarer säuerlicher Geruch. Es ist spät und so machen wir am Gaststeg fest als zunächst einziges Boot. Ein alter Mann, mit sonnenverbranntem, zerfurchtem Gesicht, Zigarettenstummel in Mundwinkel, in  dreckiger Kleidung nimmt unsere Leinen an. Er zeigt ans Heck und murmelt etwas unverständliches, schaut grimmig drein und spricht dann auf deutsch: „Deutsch“? Ach so, er denkt wir fahren ohne Nationalflagge. Ich zeige nach oben zum Top des Besanmastes und bestätigt: „Deutsch“. Seine Miene hellt sich auf und er stellt mir die Quittung  für das Hafengeld aus. Eine Ortsinformation als Farbkopie drückt er mir auch noch in die Hand. Na ja wenigsten gibt es hier zwei Supermärkte, zwei Kirchen und die sogenannte Neunaugenfalle im Fluss, die wir später besichtigen wollen. Vorher kommt noch ein zweiter Segler in den Hafen und legt sich sehr knapp vor unseren Bug, Die sechsköpfige Crew aus 5 Männern und einer Frau entpuppen sich als  Russen, die aber mit einem Schiff unter Spanischer Flagge mit Heimathafen Mallorca herumfahren. Vermutlich haben sie das Boot dort gekauft und einfach nicht umgeflaggt, um sich so einfacher im EU Raum bewegen zu können. Die Frau scheint der Skipper zu sein. Sie gibt die Kommandos und überragt die Männer um Kopfesgrösse, aber auch in der Breite  mit mächtigem Kreuz und bulliger Statur würden ihre Crewmitglieder zweimal in sie hineinpassen. Im strengen Ton unterweist sie ihre „Untertanen“ in der richtigen Klampenbelegung. Bei falschen Schlägen auf der Klampe erhält ihr Matrose ein energisches „njet“ von ihr entgegengeschleudert. Nach dem die Neuen fest sind und am Steg Ruhe eingekehrt ist, erkunden wir die Umgebung am Fluss Salaca. Bis zur Neunaugenfalle kommen wir nicht. Zu agressiv sind die Mücken. Stattdessen entdecken wir einen brütenden Storch und ein Paar mit zwei badenden Schäferhunden. Letztere nicht angeleinten Exemplare, die einen furchterregenden Eindruck machen, veranlassen uns zur schnellen Kehrtwende Richtung Hafen. Sämtliche Ausflugspläne sind gestrichen. Wir erledigen zügig unseren Einkauf. Dabei gehe ich mal wieder einer für mich neuen Masche auf den Leim und zahle für einen Artikel, den ich gar nicht gekauft habe was mir erst an Bord auffällt.. Die Kassiererin hat ein Paket Kaffee eingebont. So kommt sie selbst an teure Artikel und vermeidet, dass Fehlbestände bei der Inventur dem Personal, also auch ihr, angekreidet werden. Trotz angekündigter Flaute wollen wir schnellstmöglich Mücken, Hitze und dröhnenden Lärm der Bauarbeiten einer neuen Kaianlage am Hafen hinter uns lassen und suchen das Weite. Lettland ist bald ein Strich am Horizont auch wenn wir bei spiegelglatter See und nur einem Hauch von Wind mal mit 0,5 bis höchstens 3 Knoten Geschwindigkeit dahingleiten. Dafür aber in absoluter Stille. Ich machte unter Deck klar Schiff und verstaue nun endlich das Winter-Daunenoberbett.