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Riga, am Ufer des Flusses Daugava gelegen, ist Lettlands Hauptstadt. Wir haben das Glück, dass wir uns der Stadt von ihrer schönsten Seite, der Wasserseite,  nähern können. Nach einer guten Stunde Flussfahrt vorbei an Kaianlagen, die von Verladekränen gesäumt sind, kommt eine Skyline in Sicht, die ein Mix aus barocken und gotischen Kirchtürmen, aber auch modernen Wolkenkratzern mit Spiegelfassade bereithält.

Riga aus der Vogelperspektive

Rigas Wahrzeichen aus der Vogelperspektive

Der Yachthafen Andrejosta liegt nur ein Steinwurf von der Altstadt, der Vecriga, entfernt. Im Hafen liegen eine Handvoll Gastyachten, nahezu alle deutsch, bis auf die „Puddleduck“ von der Isle of Man. Wir machen zwischen Sindbad aus Wentdorf und Thyra aus Grossenbrode fest. Die Bordfrau der Thyra steckt mir gleich: „ Hier können Sie umsonst waschen.“

Begeistert liefert sie uns auch noch einen Restauranttipp. Bei den gelben Häusern gibt es schmackhafte graue Suppe. Graupen mit Scheinebauchfleisch. Im Stillen denke ich, dann weiss ich wo ich auf keinen Fall essen gehen werde. Die Sonne brennt heiss. Durch den schattigen Kronvaldapark geht es entlang des Pilsetaskanals zur Altstadt. Hölzerne Ausflugsboote transportieren Touristen.

Ausflugsboot auf dem Pilsetakanal

Ausflugsboot auf dem Pilsetakanal

Überall in den Gassen, auf den Plätzen, in Cafes und Restaurants tummeln sich Touristen und Städter gleichermassen. Es ist schwierig ein ruhiges Plätzchen zu finden. Hunderte von Guides müssen unterwegs sein. Wir hören viele Sprachen. Mal hat ein Guide eine Gruppe von 5 Personen um sich gescharrt, mal sind es ca. dreissig. Die meisten haben einen Knopf im Ohr. Einige geben sich noch einen interessierten Anschein, indem sie ein kluges Gesicht aufsetzen. Bei anderen sind die Züge schon entglitten und diese haben bereits auf Durchzug geschaltet nur noch in dem Gedanken ein Nickerchen zu machen oder die Füsse hoch zu legen. Die grösste Gruppe der Zugereisten stellen die Asiaten.

So geht es die nächsten Tage auch munter weiter. Tagein, tagaus kreisen die Dottotrains durch die Gassen und über die Plätze. Gebetsmühlenartig werden Schwarzhäupterhaus, Börse, Dom, Regierungssitz und die Geschichte der Stadt erklärt. Die Masse hat kaum noch die Kraft, eigenen Fusses auf Entdeckungsreise zu gehen. Träge wird aus dem Bus, Dottotrain oder der Fahrradrikscha heraus fotografiert. Am besten setzt man das I-Phone oder die Filmkamera gar nicht mehr ab. Reisen kann auch Stress sein, so hat es den Anschein. Stick hochhalten, grinsen und klick und klick, klick , klick… Wir biegen in eine schmale Gasse, Schatten, nur ein Passant, geschafft. Raus aus dem Wahnsinn. Die ältesten Häuser Rigas sind die sogenannten drei Brüder aus dem 15., 17. Und 18. Jhdt.. Ein Hochzeitspaar nutzt die Kulisse für einige Fotos.

3 Häuser - drei Büder genannt

3 Häuser – drei Büder genannt

Wir lassen uns treiben und laufen kreuz und quer durch die Altstadt. Es gibt leerstehende Gebäude, die kurz vor dem Verfall sind, aber auch top restaurierte Schmuckstücke und aktuelle Baustellen wo gewerkelt wird. Moderne Shoppingcenter sind behutsam in den alten Kern eingefügt. In den ehemaligen Zeppelinhallen der Deutschen befindet sich heute der angeblich grösste Markt Europas, sagt die Stadtwerbung.

Das Gewussel aus Menschenleiber und vielfältigen Waren ist grandios. Auf offenen Ständen, die teils unorthodox aufgebaut sind, werden bergeweise Gemüse von Rote Beete, Kohlsorten, Tomaten, vor allem Gurken über Ost wie Kirschen, Erdbeeren, Blaubeeren, Aprikosen angeboten. Das meiste stammt aus Holland oder Polen. Es gibt eine Halle mit endlosen Theken für Fleisch. Hier liegen Schweinefüsse neben Ochsenzungen. Der Lette liebt Schwein. Kräuter, derbe, riesige Bauernbrotleiber, Torten. Törtchen, Schnecken, Plätzchen in unendlicher Vielfalt liegen hübsch aufgeschichtet hinter Glas. Der Blaubeerschnecke, die frisch aus dem Ofen kommt, kann ich nicht wiederstehen. Draussen dann wieder Texitilien und Haushaltswaren. Sehr viel Ramsch und China Pröllen, die hier an den Mann oder die Frau gebracht werden sollen. Das Gedränge ist dicht. Instinktiv umklammere ich meine Tasche. Wie wir später erfahren sollten auch aus gutem Grund. Dann schliesst sich der ausgedehnte Blumenmarkt an. Schnitt- Topfblumen, Saaten, Kräuter. Es gibt alle Farben, Blüten, Formen. Unser Blick fällt in die Ferne. Ein düster wirkendes Gebäude überragt den Markt. Es ist der Sitz der Akademie der Wissenschaften. Der Turm stammt noch aus der Sowjetzeit. Die Letten mögen ihn nicht.

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Wir sind zu weit vom Zentrum abgekommen. Touristen sehen wir keine mehr. Alles wird ärmlicher. Zügig geht es wieder zurück. Bei Stockmann, dem Kaufhaus aus Schweden dann das Kontrastprogramm. Exklusivste Waren, Parfums, Designerkleidung, Taschen, exquisite Bettwäsche werden dem luxusverwöhnten Klientel der Oberklasse angeboten. Wir stärken uns im Stockmann Restaurant. Die Damen auf dem Trottoir im mondänen Jugendstilviertel sind geschmückt mit den Luxusmarken dieser Welt. Gepflegt bis zu den Nägeln und mit einem Hauch eines dezenten Duftes umgeben, trippeln sie auf höchsten Haken Po-wackelnd vorbei. Das heisse Sommerwetter und die langen hellen Nächte sorgen dafür, dass die Rigaer bis zum frühen Morgen am Wochenende ausgelassen feiern. Über den Hafen schallt der Discobeat. Die Boxen dröhnen. Junge Paare haben sich aufgezabelt. Samt, Tüll, Satin in allen Farben tragen die Mädchen. Stets mit Handtasche und Blumenstrauss ausstaffiert. Riga ist wohl die Stadt der Blumen. Es gibt am Park noch einen zweiten Blumenmarkt und hier ist das Angebot von Rosen, Lilien, Fresien, Hortensien, Sonnenblumen, die Liste liesse sich endlos fortsetzen, unendlich gross. Die Menschen eilen zum Feierabend mit verpackten Blumensträussen in alle Richtungen. Eine Weile beobachten wir das Treiben von einer Parkbank aus.