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Russisches U-Boot im Südhafen Peenemünde

Am russischen U-Boot im Südhafen Peenemünde

Wir radeln mit unseren Bordfahrrädern am Ufer der Peene entlang Richtung Peenemünde. Zunächst zum alten Fischerdorf Peenemünde, das es heute so nicht mehr gibt. Der über 700 Jahre alte Ort wurde 1936 Sperrgebiet, da die Wehrmacht am Peenemünder Haken ein riesiges Zentrum für Raketenforschung (in der Propaganda Weltraumforschung), errichtete. Nach dem Krieg arbeiteten hier sowjetische Raketenspezialisten, später diente die Gegend als militärischer Stützpunkt.  Wir wundern uns über die rege Bautätigkeit und die vielen Ferien- und Mehrfamilienhäuser, die hier entstehen in dieser Randlage. Man spürt eine Aufbruchstimmung. Es wird verschönert und investiert.

Hauptgebäude Museum Peenemünde

Hauptgebäude Museum Peenemünde

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Auf dem Gelände der ehemaligen Heeresversuchsanstalt starteten die Nazis am 3. Oktober 1942 die erste Fernrakete der Welt. Damit gingen Wissenschaftler und Militärs einen Teufelspakt ein. Die hier produzierten Vergeltungswaffen konnten

den Kriegsverlauf zwar nicht entscheidend beeinflussen, kosteten aber rund 35000 Menschen, darunter 20000 Häftlingen das Leben. Die heutige Ausstellung wirft Fragen nach der Rolle der Technik und der Verantwortung der Wissenschaft gegenüber Mensch und Natur auf. Ausgestellt werden Dokumente, Filmberichte, Originalteile, Modelle von 1936 bis 1945 sowie Flugzeuge, Hubschrauber und ein Raketenschiff aus den Beständen der ehemaligen NVA. Bei einem früheren Besuch haben wir das Museum und das russische U-Boot im Südhafen bereits besichtigt. Daher lassen wir den Rummel der Tagestouristen am  Südhafen hinter uns und lenken nach Norden. Prüfstände, Startstellen, Sauerstoffwerk, Werkshallen, Wohnsiedlungen, Läger, Flugplatz nahezu alles ist heute von der Natur unkenntlich gemacht. Meist stehen die Bäume im Sumpfgebiet. Die Wald ist sehr abwechslungsreich und abgesehen von Lastern, die eine grosse Spülfläche bedienen, breitet sich eine absolute Ruhe aus. Der Wald scheint lautlos. Überall warnen Schilder vor dem Verlassen der Wege. ACHTUNG LEBENSGEFAHR.  Der Grund: Munition, Blindgänger, Einsturzgefahr. Der Boden trägt die Altlasten und die Geschichte was sich hier abgespielt hat. Die friedliche Natur überdeckt heute die Sünden der Vergangenheit. Doch wir malen uns aus wie kontaminiert die Gegend ist.  Am Nordhafen entsteht ein neuer Yachthafen. Grade werden die Pfähle in den Boden gerammt.

Nordhafen Peenemünde

Nordhafen Peenemünde

Am Ufer erstreckt sich bereits eine Ferienhaussiedlung. Einige Wohnwagen sind für Bauarbeiter aufgebaut. Am Flugplatz steht eine alte Rakete und ein Militärflugzeug. Schautafeln erklären an verschiedenen Stellen im Wald, welchen Einsatzzweck die Ruinen hatten. Wir stehen vor einer halb ausgegrabenen Baracke. Das ehemalige KZ Aussenlager Karlshagen 1. Der Anblick ist bedrückend.

KZ Baracke Karlshagen 1

KZ Baracke Karlshagen 1

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Die Grausamkeiten, die sich hier abgespielt haben müssen, werden spürbar. Knapp zwei Jahre wurden 1500 männliche Häftlinge verschiedener Nationalitäten ausgebeutet. So mussten sie auf dem Flugplatz Erdarbeiten ausführen, die Flugzeuge betanken und nach Bombenangriffen die Blindgänger zum Entschärfen freilegen. Bei der Erprobung der Flügelbombe V1 mussten die Zwangsarbeiter die 150 kg schweren Schussbolzen der Walter-Schleudern aus dem sumpfigen Schilfgürtel bergen. Überanstrengung, Mangelernährung, fehlende medizinische Versorgung forderten ihre Opfer. Nur wenige konnten diesem Terror entfliehen. Im Februar 1945 gelang es einem sowjetischen Häftling gemeinsam mit neun anderen ein Flugzeug zu kapern und darin über die sowjetische Frontlinie zu entkommen.