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Besuch Seaplane Harbour mit Schiffahrtsmuseum und U-Boot Lembit

Am nächsten Morgen stecke ich meinen Kopf aus der Luke und sehe nicht weit. Pottendichter Nebel umfängt uns. Noch in der Koje hatte ich schon die Schiffshörner gehört. Das Tuten geht weiter.Wir planen bei diesem Wetter einen Museumsbesuch, denn für den Nachmittag ist Regen angesagt.Diesmal verlassen wir das Hafengelände, indem wir ein Zaun Ende runden und die Böschung eines Damms hochklettern. Dies ist die Alternativroute, um den Wachhund auszutricksen.

Der Wasserflughafen (Lennusadam); Lennu = Flug, Sadam = Hafen, beherbergt heute ein Museum, das die maritime und militärische Geschichte Estlands erzählt. Nach Jahren der Aufbau- und Restaurationsarbeit und Zusammenstellung der Exponate, konnte das Museum 2012 eröffnen. Die Russen hatten noch kurz vor der Rückgabe des Landes an die Esten den Komplex widerrechtlich an einen Investor verkauft. Eine riesige zusammenhängende Halle mit Betonkuppeldächern, die eine immense Fläche überspannen ohne Pfeiler wurde 1916/17 erbaut. In der damaligen Zeit war diese Bauart weltweit einzigartig. Durch Sound- und Lichteffekte wird der Besuch zu einem Erlebnis. Höhepunkt ist das 1936 in England erbaute U-Boot Lembit. Das Museum führt den Besucher in zwei Ebenen an den Exponaten vorbei. Auf und unter der Wasseroberfläche. Der blaue Boden ist einer Seekarte nachempfunden und mit Tiefenlinien- und angaben versehen. Soundeffekte vermitteln einen Eindruck von den Geräuschen in einem U-Boot unter Wasser. Man müsste Tage hier verbringen, um alle interessanten Details und Geschichten aufzunehmen. Abhilfe schafft hier ein modern gestaltetes Infosystem. Mit Hilfe einer RIF Chipkarte kann sich der Besucher an allen Stationen Texte laden und über die Karte direkt an die eigene E-Mail Adresse versenden. Wir tauchen in die bewegte Geschichte des Baltikums ein mit seinen kriegerischen Auseinandersetzungen und den Besitzwechseln unter den Anrainervölkern. Interessant ist auch die Entwicklung des Segelsports oder der Schiffahrt zum Zwecke der Fischerei und des Handels. Kinder werden von Flaggeschützen angezogen und klettern darauf rum. Ich interessiere mich für die Funktionsweise der verschiedensten Seeminen und den unterschiedlichen Verfahren der Räumung derselben. Streift ein Schiffsrumpf eine Seemine, dann geht in deren Inneren durch die Erschütterung ein kleiner Glaskolben zu Bruch. Eine Chemikalie zündet daraufhin das explosive Pulver im Inneren. Über unseren Köpfen schwebt ein Wasserflugzeug. An die Kuppeldecke werden Schatten von überfliegenden Flugzeuggeschwadern projeziert und dazu gibt es Flugzeugmotorenlärm. Alles wirkt so echt, dass wir unwillkürlich unsere Köpfe einziehen. Der schwarze Rumpf des U-Bootes Lembit wirkt massig. Durch eine Luke steigen wir hinein. Kommandostand, Kombüse, Kapitänskabine, Torpedoraum, Batterieraum, alles durch Schotten getrennt und in jeden Bereich steigen wir wieder durch die engen runden Luken. Die Beschriftungen sind russisch. Auf engstem Raum hängen die für unsere Begriffe viel zu kleinen Kojen freischwebend über Rohren, Ventilen, sogar Torpedos. Toiletten gibt es auch nicht allzu viele, von Dusche gar nicht zu reden. Schon die wenigen Minuten lassen einen die Entbehrungen und vor allem Auszehrungen der Mannschaft spüren. Wer hier im U-Boot auf Tauchtiefe seinen Dienst versah, der musste schon hart gesotten sein. Heisse, stickige Luft, unterschiedlichste Gerüche und dabei immer Todesangst versenkt zu werden, entweder vom Feind oder durch technische Mängel. Die Enge, das Ausgeliefert sein muss unaufhörlich an den Nerven der Männer gezerrt haben. Die aufgezwungene Gemeinschaft und dann wieder Einsamkeit – weit weg von den Lieben nahezu ohne Kommunikationsmöglichkeit wie es zu Hause aussah. Ein extremes Leben an dem wohl einige zerbrochen sind.Nach einer Viertelstunde reicht es uns und wir sind froh aus der Röhre aufzusteigen. In einem Simulator erleben wir noch wie sich ein fahrendes U-Boot anfühlt. Die Tür schliesst sich hinter uns. Vor uns sitzt noch ein Vater mit seinen zwei Söhnen. Wir sind froh, dass der Simulator nicht voll besetzt ist. Auch so schon steigt in mir eine Beklommenheit hoch, obwohl die Tür nur angelehnt ist. Dieselmotoren springen an, es ruckt. Die Luft ist stickig. Schnell merke ich, eine U-Boot Karriere wäre nichts für mich und verschwitzt verlassen wir nach 15 Minuten diesen simulierten Tauchgang.Entspannen können wir uns auf der Empore bei einem Lunch im Restaurant Maru. Ein Glück, dass wir in dieser Friedenszeit leben, die hoffentlich noch lange anhält.

Bild 1: Estin auf dem Bug des Eisbrechers

Bild 2: Seaplane Harbour Hallen

Bild 3 und 4: Historische Kriegsschiffe

Bild 5: Im Maschinenraum des Eisbrechers

Bild 6: Torpedorohre im Inneren des U Bootes Lembit

Bild 7: Wasserflugzeughalle mit Museumsstücken